Ane Mette Hol - Randphänomene der Kunstproduktion

Ane Mette Hol setzt sich mit Randphänomenen der Kunstproduktion auseinander. Indem sie ihren Blick auf Nebensächliches richtet, auf Gegenstände etwa, die während des Entstehungsprozesses von Kunst im Atelier abfallen, oder auf Spuren, die beim Ausstellungsaufbau im Raum übrigbleiben, schärft sie den Blick auf die künstlerischen Produktionsbedingungen.

Eine beiläufig am Boden abgelegte Packpapierrolle, die darauf hindeutet, dass der Ausstellungsraum erst kürzlich ausgemalt wurde – Flecken von Dispersionsfarbe und Staubreste inklusive; Farb- oder Graukarten, die in der Reproduktionsfotografie benutzt werden, um die Belichtung so einzurichten, dass die Abbildung dem abgebildeten Objekt so nah wie möglich kommt; linierte Notizhefte oder mit Zeichenstiften und sonstigen Bildklischees verzierte Skizzenblöcke, Papierstapel und Verpackungsmaterial: Bei genauer Betrachtung erweisen sich all diese unscheinbaren Materialien und Überreste als detailreiche, handwerklich perfekte Zeichnungen.

Das hohe Maß an Präzision, das die Künstlerin an ihre gezeichneten Objekte anlegt, die Akribie, mit der sie etwa Schattierungen und Farbnuancen imitiert, auch die bewusste Verlangsamung des eigenen Werkprozesses, all das trägt dazu bei, dass Ane Mette Hol das Verhältnis von Produktion und Reproduktion rekalibriert. Wertlose Gegenstände wie Verpackungsmaterialien, eine Transportschachtel und Papierstapel werden als fotorealistische Abbildungen und im Rückgriff auf anachronistisch wirkende Genres wie das Trompe-l’œil ausgestellt. Doch selbst wenn Hol die Gegenstände in der zeichnerischen Geste und durch penible Manipulation geradezu überaffirmiert, bleiben die Gegenstände doch nur Massenwaren und Einwegprodukte – Elemente einer Wegwerfgesellschaft. In Hols künstlerischen Recyclingverfahren werden jedoch die Parameter des Kunstschaffens sowie die Reflexion der Künstlerin über ihre eige- nen Werkzeuge sichtbar.

Ane Mette Hol benutzt nicht nur herkömmliche zeichnerische Mittel wie Bleistift, Kohle oder Pastellkreide, sondern sie greift auch zu ungewöhnlichen Materialien wie Wachs, Silber oder Acryllack. Die Künstlerin analysiert Oberflächen auf ihre Beschaffenheit und rekonstruiert diese minutiös in langwierigen Prozessen. Dabei versetzt sie das Trägermaterial ihrer Zeichnungen häufig von einem spezifischen Zustand in einen anderen, eine Transformation, die vermeintliche Readymades, Spiegel- und Kippbilder der Wirklichkeit sowie nicht zuletzt „Simulacra“, gleichzeitig befremdliche wie faszinierende Kopien ohne Original, hervorbringt.

Ane Mette Hol (geb. 1979) lebt und arbeitet in Oslo.

Ane Mette Hol
Im Werden (Arbeitstitel)
8. Juli bis 10. Oktober 2021
Kuratiert von Franz Thalmair