71. Locarno Festival: Gemischte Eröffnung

Grandiosen Slapstick mit Laurel and Hardy bot die Eröffnung mit Leo McCareys Kurzfilm "Liberty", einen blassen Eindruck hinterließ dagegen die sich daran anschließende Weltpremiere von Vianney Lebasques Komödie "Les beaux esprits".

Lust auf die Retrospektive, die dem Hollywood-Altmeister Leo McCarey gewidmet ist, machte schon die 17-minütige Slapstickkomödie "Liberty", mit der das 71. Locarno Festival eröffnet wurde. Fast 90 Jahre alt ist dieser Stummfilm, der fast ohne Zwischentitel auskommt, unterhält aber immer noch blendend.

Da wird zunächst einmal der zentrale amerikanische Begriff der Freiheit aufs Korn genommen, wenn die Flucht zweier Häftlinge in die Tradition des Freiheitsstrebens von George Washington und Abraham Lincoln gestellt wird. Die Polizei kann zwar abgeschüttelt werden, denn die Fluchthelfer haben den beiden Sträflingen ihre Zivilkleidung mitgebracht.

Leider ziehen der schmächtige Stan Laurel und der übergewichtige Oliver Hardy aber in der Hektik jeweils die Hose des anderen an. Das Missgeschick ist bald entdeckt, doch nun muss ein stilles Örtchen zum Umkleiden gefunden werden. Immer wieder werden sie dabei von Polizisten gestört, bis sie auf einem im Bau befindlichen Wolkenkratzer landen, auf dem sich in bester Tradition von Harold Lloyds "Safety Last" ein furioser Mix aus Witz und Spannung entwickelt.

Nicht nur auf den Gegensatz von Laurel und Hardy baut Leo McCarey, sondern entwickelt die Handlung auch mit atemberaubendem Tempo und perfektem Timing. Schlag auf Schlag geht es und konsequent steigert dieser Meister der Komödie das aberwitzige Gefahrenszenario, bis am Ende die Situation doch gelöst wird, freilich im letzten Bild noch der anarchistische Impetus spürbar ist, wenn die Ordnungsmacht im wahrsten Sinne des Wortes auf Zwergengröße geschrumpft wird.

Der sich daran anschließende Hauptfilm "Les beaux esprits" konnte dagegen nicht überzeugen. Vianney Lebasque erzählt darin in Anlehnung an den Betrug Spaniens bei den Paralympics 2000 in Sydney vom französichen Nationaltrainer des Basketballteams geistig Behinderter, der gesunde Spieler in sein Team aufnimmt, um den Sieg zu erringen.

Die Geschichte hätte wohl Potential, aber Lebasque entwickelt daraus ein Film nach Schema F und lässt jeden Esprit und Pfiff vermissen. In weitgehend überraschungsfreier Dramaturgie folgen auf die Zusammenstellung des Teams und die Reise nach Sydney erste Erfolge, bis der Betrug dann zumindest einer Mitarbeiterin doch auffällt. Außer Frage steht freilich, dass auch diese Klippe schliesslich umschifft werden kann.

Nie spürt man leider, was Lebasque an dem Stoff interessiert hat, routiniert, aber ohne Inspiration spult er die Geschichte herunter, weder das Verhältnis der gesunden Spieler zu denen mit Behinderung noch die diversen Liebesbeziehungen, die sich entwickeln, noch die Charaktere der Spieler oder des Trainers, der den Erfolg aus Liebe zu seiner behinderten Tochter und, um den finanziell angeschlagenen Verband zu retten, erringen will, werden ausgeleuchtet. Redlich bemühen sich die Schauspieler, aber selbst Jean-Pierre Darroussin erhält hier kaum die Chance diesem Trainer wirklich Profil zu verleihen. - Nach diesem müden Beginn darf und muss man dringend auf eine Steigerung an den kommenden Abenden hoffen.