67. Internationales Filmfestival Mannheim-Heidelberg – Eine Vorschau

Mit knapp 50 Filmen ist das Programm des Internationalen Filmfestivals Mannheim-Heidelberg (15.11. – 25.11. 2017) überschaubar, aber schon die geographische Verteilung auf 25 Länder verspricht große Vielfalt. Wieder versprechen dabei sorgfältig ausgewählte Newcomer spannende Entdeckungen.

Keine großen Namen, keine mit Preisen und hymnischen Kritiken werbende Filme bietet das Filmfestival Mannheim-Heidelberg. Ähnlich wie beim Linzer Filmfestival Crossing Europe versteht man sich als Ort der Entdeckungen und bietet Newcomern eine Plattform. Im Gegensatz zur Fokussierung auf Europa bei Crossing Europe spannt man in Mannheim-Heidelberg aber den Bogen um die ganze Welt.

Wie es Plakat und Logo andeuten, versteht man sich als ein Festival, das mit seinem Programm die Zuschauer zu Reisen um die Welt einlädt, vor allem freilich in sonst wenig beachtete Länder und Regionen. Nur ein Film des heurigen Programms kommt folglich auch aus den USA – "All These Small Moments" von Melissa B. Miller -, dafür sind der Jemen ebenso wie Afghanistan vertreten, während die – wie bei den meisten internationalen Festivals der letzten Jahre - völlige Absenz Afrikas nachdenklich stimmt.

Eröffnet wird die 67. Auflage des renommierten Festivals mit Jean-Philippe Gauds "Tazzeka". Gaud verbindet in diesem Film über einen Koch im titelgebenden marokkanischen Dorf, der nach Frankreich emigriert, eine Hommage an die Kochkunst mit einer Auseinandersetzung mit Heimat und Fremde. Wie Kochen und Essen auch im Kino immer wieder für sinnliche Genüsse sorgen, sind es auch Tänzer und Tanzfilme, die beim Publikum Leidenschaft entfachen können.

In Mannheim-Heidelberg könnte dafür der Dokumentarfilm "When Arabs Danced" sorgen, in dem Jawad Rhalib der Verteufelung des Tanzes von Frauen durch islamistische Fundamentalisten einen liberaleren Islam, in dem Frauen leidenschaftlich tanzen, gegenüberstellt. Um Tanz geht es auch in "Seven Weeks" der Chilenin Constanza Figari, in dem sich eine junge Tänzerin für ihr ungeborenes Kind oder für ihre Karriere entscheiden muss.

Während Amanda Pug Salman in ihrem Dokumentarfilm "My North is the South" den Zuschauer auf ihre siebenmonatige Reise quer durch sieben Länder Lateinamerikas mitnimmt, entführen die Finnen Martti Kaartinen und Niklas Kullström in ihrem Essayfilm "Eastern Memories" in die Mongolei. Die Bilder werden dabei von Zitaten aus den 100 Jahre alten Aufzeichnungen des finnischen Sprachforschers Gustaf John Ramstedt kontrastiert.

Stark vertreten ist im Programm Skandinavien. Eine französische Produktion ist zwar Samuel Colareys "A Polar Year", spielt aber in Grönland, wohin ein junger dänischer Lehrer versetzt wird. Die Isländerin Isold Uggadóttir erzählt dagegen in "And Breathe Normally" von einer alleinerziehenden Mutter und einer illegalen Migrantin aus Guinea-Bissau, die sich langsam näher kommen. Ebenfalls nach Island entführt "Summer Childern", in dem Gudrún Ragnarsdóttir von zwei Kleinkindern erzählt, die in den 1950er Jahren von ihren zerstrittenen Eltern getrennt werden und in Kinderheimen aufwachsen.

Tommaso Cotroneis "Blood and the Moon" beginnt dagegen als ethnographische Dokumentation eines einsamen Dorfes im Jemen, entwickelt sich aber zunehmend zu einem Beziehungsmelodram. Die Spanierin Alba Sotorra porträtiert dagegen in "Commander Arian" eine kurdische Kommandeurin der "Women´s Protection Unit" im Kampf gegen ISIS.

Am Puls der Zeit ist auch der Türke Ömür Atay, der in "Brothers" von einem Ehrenmord erzählt, während der Finne Simo Halinen mit "East of Sweden" einen Thriller vor dem Hintergrund der Flüchtlingsthematik entwickelt. Ein Thriller scheint auf den ersten Blick auch "Fire Lily" der Estin Maria Avdjusko zu sein, entwickelt sich aber zunehmend zu einer Reflexion darüber, welche Art von Wirklichkeit unserem Leben eine wirkliche Bedeutung gibt.

Stark vertreten ist auch das kanadische Kino. Der Bogen der fünf Filme spannt sich von Sébastien Pilotes Zeitgeist- und Generationsporträt "The Fireflies are Gone" über Jean-Francois Asselins psychologischen Thriller "We are the Others" bis zu Katerine Jerkovics "Roads in February", in dem eine junge Frau nach dem Tod ihres Vaters nach Uruguay reist, um den Familienwurzeln ihrer nach Kanada ausgewanderten Eltern nachzuspüren.

Nur ein kleiner Einblick in ein vielfältiges Programm, das auch die jüngsten Kinofans berücksichtigt, ist das. Und auch beim Kinderprogramm wird auf kulturelle Vielfalt Wert gelegt, wenn mit "Fünf Rupien" eine indische Produktion ebenso vertreten ist wie mit "Heldenschritte" ein Film aus Kolumbien und das tschechische Kino sowohl mit "Der dritte Wunsch" als auch mit "Der beste Freund" präsent ist. Aber auch deutsche Filme fehlen hier mit Dennis Gansels "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer" und dem Dokumentarfilm "Power to the Children" nicht, in dem Anna Kersting vom Protest indischer Kinder gegen Umweltverschmutzung, Kinderarbeit und Armut erzählt.