Tiefschläge blieben im Wettbewerb der heurigen Berlinale zwar aus, doch auch die Highlights waren dünn gesät. Überrascht wurde man selten, ins Staunen kam man im Kino wohl nie, denn in ausgetretenen Bahnen bewegten sich die meisten Wettbewerbsfilme.
Unmittelbar auf den schwachen Eröffnungsfilm "Django" folgte mit Ildiko Enyedis "On Body and Soul" der spätere große Sieger. Durchaus ansprechend waren die ersten Festivaltage, folgten mit Oren Movermans "The Dinner", Josef Haders "Wilde Maus" und Agnieszka Hollands "Pokot" doch weitere ebenso unterhaltsame wie interessante Filme im Wettbewerb.
Die herausragenden Produktionen werden schon noch kommen, dachte man, und wartete darauf von Tag zu Tag ungeduldiger. Brav tuckerte das Festival weiter und jeder Regisseur bot in etwa das, was man von ihm erwartete. Sebastián Lelio legte mit "Una mujer fantástica" ein weiteres starkes Frauenporträt vor, Thomas Arslan trieb seinen Minimalismus in "Helle Nächte" schon zu weit, Sabu unterhielt mit dem Genremix "Mr. Long".
Am ehesten überrascht wurde man noch von Sally Potter, die mit "The Party" eine höchst vergnügliche Boulevardkomödie vorlegte. Aber großes modernes Kino bot auch der 70-minütige Schwarzweißfilm der Britin nicht, sorgte allein durch Dialogwitz und ein lustvoll aufspielendes Ensemble für zahlreiche Lacher.
Herz und Kopf bewegen konnte allein Aki Kaurismäki, der zwar in "The Other Side of Hope" auch seinen eingeschlagenen Pfad nicht verließ, aber mit seiner meisterhaft lakonischen Erzählweise, und seinem Gespür für den richtigen Ton doch echtes Kinofeeling aufkommen ließ.
Ein Hoffnungsschimmer war dieser Film kurz nach Halbzeit des Festivals, doch danach ging es nicht aufwärts, sondern eher abwärts. Echte Tiefschläge blieben zwar aus, aber zäh floss doch das Familiendrama "Colo" dahin, in dem die Portugiesin Teresa Villaverde langsam und leise in langen, sorgfältig kadrierten Einstellungen vom Zerfall einer Familie durch die Wirtschaftskrise erzählte.
Volker Schlöndorffs von Max Frischs Erzählung inspiriertes Liebesdrama "Rückkehr nach Montauk" lebt ganz von den Schauspielern Stellan Skarsgard und Nina Hoss, doch filmisch fällt dem Oscar-Preisträger bei dieser Begegnung eines früheren Liebespaares, das sich an seine Beziehung, an das Glück und die Kränkungen erinnert, herzlich wenig ein.
Was diesem Wettbewerb entschieden fehlte, waren einfach drei bis vier Filme, die wirklich etwas riskieren, die den Zuschauer aufrütteln oder mit ihrer Bildmacht faszinieren und weit über das Festival hinaus haften bleiben. Nicht nur im Wettbewerb, auch außer Konkurrenz und im Berlinale Special dominierte das zwar ordentlich Gemachte und durchaus Unterhaltsame, aber praktisch durch die Bank sehr Konventionelle.
Dass man bei der Berlinale zumindest in diesen Sektionen kaum wirklich aufregende und herausfordernde moderne Filme entdecken konnte, lässt aber auch nicht unbedingt Rückschlüsse auf den generellen Zustand des Kinos zu.
Von vielfältigen Überlegungen ist nämlich die Auswahl der Wettbewerbsfilme wohl beeinflusst. Um Ausgewogenheit war man hier sichtlich bemüht, wenn mit "Félicité" ein afrikanisches Frauendrama ebenso präsentiert wurde wie mit "Joaquim" ein Historiendrama über einen brasilianischen Nationalhelden und neben Spielfilmen auch ein chinesischer Animationsfilm sowie mit "Beuys" ein Dokumentarfilm ins Bärenrennen eingeladen wurde.
Zudem muss ein Festival letztlich immer auch die Filme nehmen, die gerade verfügbar sind und die entsprechenden Kriterien erfüllen. Liefen früher noch Filme aus dem nur einige Wochen zuvor stattfindenden Sundance-Festival im Wettbewerb, so werden oder dürfen diese nun nicht mehr programmiert.
Dass die Zahl der Filmfestivals kontinuierlich größer wird, erleichtert die Programmierung auch nicht unbedingt, andererseits müsste die Berlinale mit ihrem Rennommee doch entsprechende Zugkraft haben. Aber da wirft natürlich auch schon wieder das weit glamourösere Cannes seine Schatten voraus und lockt an, was Rang und Namen hat.