67. Berlinale: Von Kaurismäki bis Hader

Die gewohnt bunte Mischung bietet der Wettbewerb der heurigen Berlinale (9. – 19.2. 2017.). Die großen Namen sind eher dünn gesät, mehrere Berlinale-Stammgäste drücken dem Bären-Rennen den Stempel auf, während außer Konkurrenz das "Wolferine"-Sequel "Logan" und die Fortsetzung des Kultfilms "Trainspotting" für Aufsehen sorgen dürften. Im Wettbewerb findet sich neben drei deutschen Filmen mit Josef Haders Regiedebüt "Wilde Maus" auch eine österreichische Produktion.

Ein gewisser Rhythmus lässt sich inzwischen bei der Wahl der Eröffnungsfilme der Berlinale feststellen. Fast schon mit schöner Regelmäßigkeit wechselt man bei diesem medienwirksamen Programmpunkt zwischen einer fürs große Publikum attraktiven US-Produktion und einem Arthouse-Film.

So durften in den letzten Jahren zweimal die Coen-Brüder – mit "True Grit" und "Hail, Caesar!" – und einmal Wes Anderson mit "The Grand Budapest Hotel" das Festival eröffnen, während dazwischen beispielsweise Isabel Coixet mit ihrem Arktis-Drama "Nobody Wants the Night" und Benoit Jacquot mit "Les adieux à la reine" wenig Begeisterung auslösten.

Mit "Django" läutet heuer wieder ein europäischer Film das Bärenrennen ein. Nicht um die Westernfigur geht es dabei aber, sondern um den Gitarristen Django Reinhardt. Wie vor Jahren schon mit Edith Piaf steht somit auch heuer eine bekannte Persönlichkeit im Zentrum des Eröffnungsfilms. Ob dieses Debüt von Etienne Comar, der von der Flucht Reinhardts 1943 aus dem von den Deutschen besetzten Paris erzählt, freilich auch filmisch überzeugen kann, wird sich freilich erst weisen.

Zahlreiche alte Bekannte finden sich im 18 Filme umfassenden Wettbewerb. Der Bogen spannt sich hier vom rumänischen Berlinale-Sieger Calin Peter Netzer (Goldener Bär 2013 für "Mutter & Sohn"), der in "Ana, mon amour" von der Beziehung zwischen einem jungen Mann und der psychisch kranken Ana erzählt, bis zu dem für seine exzentrischen Filme bekannten Japaner Sabu, der mit "Mr. Long" eingeladen wurde.

Gespannt sein darf man auf den neuen Film des Amerikaners Oren Moverman – der einzige US-Beitrag im Bärenrennen -, der 2009 mit "The Messenger" auf der Berlinale einen starken Eindruck hinterließ. Heuer bringt er mit "The Dinner" ein mit Richard Gere, Steve Coogan, Laura Linney und Rebecca Hall glanzvoll besetztes Thriller-Drama an die Spree.

Bei der Britin Sally Potter erinnert man sich im Zusammenhang mit der Berlinale wohl zunächst an den Massenexodus aus dem Kinosaal, den 2009 ihr höchst experimenteller Film "Rage" auslöste. Dass sie freilich auch eingängiger erzählen kann, bewies sie zuletzt mit "Ginger und Rosa", sodass man sich von dem als Komödie angekündigten "The Party" gerne überraschen lässt.

Gefeiert wurde dagegen in Berlin 2013 "Gloria" des Chilenen Sebastián Lelio. Mit "Una mujer fantástica" scheint er nun – zumindest dem Titel nach – seinem fulminanten Porträt der Mittfünzigerin Gloira ein weiteres Frauenporträt folgen zu lassen.

Auch Aki Kaurismäki hat im Rahmen der Berlinale in den späten 1980er Jahren seinen großen Durchbruch gefeiert, seine letzten Filme freilich liefen im Wettbewerb von Cannes. Die Berlinale kam wohl nun zum Zug, weil "The Other Side of Hope" aufgrund des Kinostart-Termins im Frühjahr für Cannes nicht in Frage kam.

Ein klassischer Kaurismäki ist wohl zu erwarten, wenn der Finne von einem syrischen Flüchtling erzählt, der in einer Hafenstadt auf einen finnischen Verkäufer trifft. Die aktuelle Thematik und die Meisterschaft von Kaurismäkis letzten Filmen schrauben hier die Erwartungen in die Höhe.

Während das deutsche Kino im letzten Jahr im Wettbewerb nur mit einem Film - dem umstrittenen Abtreibungsdrama "24 Wochen" - vertreten war, wurden heuer wieder drei Filme eingeladen – alle von Regisseuren, die schon mit früheren Filmen im Wettbewerb des größten deutschen Filmfestivals vertreten waren.

Andres Veiel, der zuletzt mit dem Terrorismusdrama "Wer wenn nicht wir" einen Spielfilm drehte, kehrt mit seinem Künstlerporträt "Beuys" zu seinen aufregenden dokumentarischen Anfängen ("Black Box BRD", "Der Kick") zurück.

Gespannt sein darf man auch auf "Helle Nächte", in dem Thomas Arslan nach seinem großartig lakonischen Western "Gold" einen Mann mit seinem 13-jährigen Sohn mit der Hoffnung auf einen Neubeginn auf eine Reise nach Nordnorwegen schickt.

Nach seiner Verfilmung von "Homo Faber" (1991) orientiert sich der auf Literaturverfilmungen spezialisierte Volker Schlöndorff mit "Rückkehr nach Montauk" ein weiteres Mal am Werk des Schweizer Schriftstellers Max Frisch, allerdings handelt es sich nicht um eine Verfilmung von dessen Erzählung "Montauk".

Das neben dem Eröffnungsfilm "Django" einzige Debüt im Wettbewerb steuert der Österreicher Josef Hader mit "Wilde Maus" bei. Dem Trailer nach könnte dieser Film, in dem Hader selbstverständlich auch die Hauptrolle spielt, eine flotte Tragikomödie werden, die durchaus auch beim Publikum gut ankommt.

Während die USA im Wettbewerb nur mit einem Film vertreten sind, lassen sie es außer Konkurrenz mit James Mangolds "Wolferine"-Sequel "Logan" krachen. Hier wird auch Danny Boyles Fortsetzung seines Kultfilms "Trainspotting" für Aufsehen sorgen ("T2 Trainspotting"), während die Premiere von Martin Provosts "Sage Femme" wohl Catherine Deneuve und Olivier Gourmet an die Spree locken könnte.

Überraschenderweise nicht im Programm findet sich dagegen "Silence" von Martin Scorsese, der einerseits zu den Berlinale-Stammgästen zählt und dessen Film andererseits nur wenig später in Europa anläuft, im Rahmen des Festivals also durchaus attraktiv lanciert hätte werden können.

Wie gewohnt finden sich aber auch in den anderen Sektionen Titel und Regisseure, die Interesse wecken. So feiert in den "Berlinale Specials" nicht nur die restaurierte Fassung von Rainer Werner Fassbinders TV-Serie "Acht Stunden sind kein Tag" Weltpremiere, sondern auch James Grays Abenteuerfilm "The Lost City of Z" und Raoul Pecks "Der junge Karl Marx" werden in diesem Rahmen gezeigt. Sam Garbarski präsentiert in dieser Sektion die in der Nachkriegszeit spielende Komödie "Es war einmal in Deutschland…" und Fernando Trueba die Tragikomödie "La reina de Espana".

Die Programmschiene "Panorama" zeigt zu den Schwerpunkten "Schwarze Welten" und "Europa Europa" zahlreiche Dokumentarfilme. Auch das "Internationale Forum des Jungen Films" legt sein besonderes Augenmerk auf den Formenreichtum des Dokumentarfilms, präsentiert aber selbstverständlich auch Spielfilme wie Alex Ross Perrys "Golden Exits" oder Raja Amaris "Foreign Body".

Einen Blick auf das deutsche Nachwuchskino ermöglicht mit 14 Filmen die "Perspektive Deutsches Kino", während für die Sektion "Generation" 62 Lang- und Kurzfilme, in denen Kinder und Jugendliche im Mittelpunkt stehen, ausgewählt wurden.

Nicht fehlen darf freilich auch die Retrospektive, die unter dem Titel "Future Imperfect. Science-Fiction-Film" 27 internationale Spielfilmen, darunter Klassiker, Kultfilme und weitgehend unbekannte Produktionen etwa aus Japan sowie Mittel- und Osteuropa wie "Ikarie XB 1" des Tschechen Jindřich Polák präsentiert.

Berlinale-Trailer 2017