67. Berlinale: Happy End für starke Frauen

Starke Frauen drücken dem Wettbewerb den Stempel auf: In Sebastián Lelios "Una mujer fantástica" kämpft eine Transgender-Frau entschlossen gegen Demütigungen, in Agnieszka Hollands "Pokot" lehnt sich eine Pensionistin gegen eine männliche Jagdgeselllschaft auf.

Starke Frauen dominierten schon in den letzen Jahren mehrfach den Wettbewerb der Berlinale. Auch heuer lässt sich dieser Trend feststellen, überraschend ist freilich, dass ihnen die Regisseure meistens ein Happy-End gönnen.

Blieben die Frauen in Oren Movermans "The Dinner" zunächst im Hintergrund, übten dann aber doch zunehmend Druck auf die Männer aus, so stehen sie nicht nur in Alain Gomis´ "Félicité" und Ildiko Enyedis "On Body and Soul", sondern auch in den neuen Filmen von Agnieszka Holland und Sebastián Lelio ganz im Zentrum.

Mit düsterer Musik und weit ausholenden Kamerafahrten über die winterlichen Wälder an der polnisch-tschechischen Grenze lässt die polnische Altmeisterin Agnieszka Holland "Potok" beginnen. Hier treffen sich Bürgermeister, Polizeichef des Dorfes, der Besitzer eines Bauernhofs, in dem vordergründig Füchse in engen Käfigen gehalten werden, in Wirklichkeit aber ein Bordell geführt wird, mit weiteren Männern zur Jagd.

Der pensionierten Brückenbauingenieurin Duszejko, die nebenbei in der Volksschule Englisch unterrichtet, sind die Jäger, die auch in der Schonzeit Tiere schießen, längst ein Dorn im Auge. Schon mehrfach hat sie sie angezeigt, doch die Polizei reagierte nicht. Auch der Pfarrer hat kein Verständnis für ihre Beschwerden, betont den Unterschied zwischen Tier und Mensch und die von Gott bestimmte Vorherrschaft des Menschen über das Tier.

Auch als die beiden Hunde von Duszejko verschwinden, interessiert sich niemand dafür, doch wenig später wird zunächst ein Jäger, dann auch der Polizeichef tot aufgefunden und die Spuren deuten darauf hin, dass die Tiere sich hier gerächt haben könnten.

Wenn sich der durch Kapitelüberschriften zu den Monaten und der jeweiligen Jagdsaison gegliederte Film vom Winter in den Sommer entwickelt, wird der zunächst ernste und beklemmende Erzählton immer leichter, gewinnt mit der Natur und dem Licht auch die Frau, die inzwischen von einem an Epilepsie leidenden Polizei-Praktikanten, einem Nachbarn und einer jungen ausgebeuteten Frau Unterstützung erhält, die Oberhand gegenüber der präzis geschilderten aggressiven und tumben männlichen Provinzgesellschaft.

Was als düsterer Krimi begann, wird so zur weiblichen Befreiungsfantasie, zur Utopie von der Rache der Natur und dem Umsturz der Ordnung hin zu einem friedlichen, von Ausbeutung freien Miteinander.

Allein gegen Demütigungen muss sich auch die hübsche Transgender-Frau Marina in Sebastián Lelios "Una mujer fantástica" behaupten. Eine glückliche Beziehung führt sie mit dem etwa 20 Jahre älteren Orlando, doch als dieser plötzlich an einem Aneurysma stirbt, sieht sie sich nicht nur mit dessen Familie, sondern auch mit der Polizei konfrontiert, die Marina wegen ihrer sexuellen Identität ausgrenzen und demütigen.

Da spricht sie ein Polizist im Krankenhaus ständig als "er" an, selbstverständlich duzt man sie und die Ex-Gattin des Geliebten sowie dessen Sohn fordern von ihr nicht nur sofort Wagen und Wohnung zurück, sondern verbieten ihr sogar an Totenwache und Beerdigung teilzunehmen. Auf das Materielle verzichtet Marina zwar sofort, aber um ihr Recht zu trauern kämpft sie.

Konzentriert und mit der großartigen Transgenderfrau Daniela Vega in der Hauptrolle erzählt Lelio wie schon in "Gloria" von einer starken Frau, die sich nicht unterkriegen lässt. Ein einprägsames, wenn auch etwas plakatives Bild findet er für ihren Kampf, wenn sie sich auf der Straße gegen stürmischen herbstlichen Gegenwind stemmt. Scharfe Kritik übt der Chilene so an der machistischen chilenischen Gesellschaft, plädiert für Toleranz und ist gleichzeitig auch ein Mutmacher, wenn Marina, die auch Unterricht in klassischem Gesang nimmt, schließlich bei einem Liederabend ihre Trauer in der Händel-Arie "Ombra mai fú" ausdrücken kann.