66. Berlinale: Und wie würden Sie entscheiden?

Während Anne-Zohra Berrached in "24 Wochen" zwar im Stil eines klassischen "Problemfilms", aber dennoch dicht und bewegend von einem Paar erzählt, das sich für oder gegen sein schwer behindertes ungeborenes Kind entscheiden muss, gelang André Téchiné mit "Quand on a 17 ans" ein jugendlich-frisches Alterswerk über die Unsicherheit von Teenagern und das Erwachen der Gefühle.

Astrid ist eine Kabarettistin, die auf der Bühne auch über ihre Schwangerschaft Witze machen kann. Doch dann muss die Ärztin ihr und ihrem Freund Markus, der auch ihr Manager ist, mitteilen, dass das Kind, das sie erwarten, am Down-Syndrom leiden wird. Sie werden darauf hingewiesen, dass in einem solchen Fall ein Schwangerschaftsabbruch bis zur Geburt möglich ist, doch gemeinsam entscheiden sie, das Kind zu bekommen.

Nicht aus der Ruhe bringt sie die geschockte Reaktion der Angehörigen, doch dann wird beim Ultraschall auch noch ein schwerer Herzfehler festgestellt und Astrid kommen zunehmend Zweifel an ihrer Entscheidung.

Ganz auf das Paar und die schwere Entscheidung, die Astrid schließlich allein fällen wird, konzentriert sich Anne-Zohra Berrached in ihrem zweiten Spielfilm. Eine an die Filme von Andreas Dresen erinnernde dokumentarische Dichte entwickelt "24 Wochen" dabei in den Gesprächen mit Ärzten, in denen der Herzfehler und seine mögliche Behandlung, aber auch die Vorgangsweise beim Schwangerschaftsabbruch im Detail erklärt werden. Zu verdanken ist dieser packende Realismus zweifellos auch dem Umstand, dass Berrached hier mit echtem medizinischem Personal drehte, das eigene Erfahrungen ins Spiel brachte.

Nicht leicht macht es sich die junge deutsche Regisseurin. Differenziert schildert sie nicht nur die Problemfelder und die schwierige Entscheidungsfindung, sondern am Ende auch mit akribischer und quälender Detailtreue die Abtreibung.

So bewegend und dicht "24 Wochen" dabei auch durch die Nähe zu der von Julia Jentsch stark gespielten Astrid ist, so sehr tendiert dieses Drama im Durchdeklinieren der Situation bis zum Besuch der Kirche, in der Astrid aber auch keine Hilfe bei ihrer Entscheidung findet, aber auch zum Problemfilm, der sich für einen Fernsehabend mit anschließender Diskussion mit Betroffenen und Experten anbietet.

Von jugendlicher Unsicherheit und der Schwierigkeit von Teenagern ihre Gefühle auszudrücken, erzählt dagegen André Téchiné in "Quand on a 17 ans". Welten trennen im Grunde den aufgrund seiner nordafrikanischen Wurzeln dunkelhäutigen Thomas und Damien.

Während der eine bei seinen Adoptiveltern auf einem Bauernhof in den Bergen lebt, wohnt Damien als Sohn der Ärztin Marianne (Sandrine Kiberlain) und eines Helikopterpiloten bei der Armee, der oft auf Auslandseinsatz in Kriegs- und Krisengebieten ist, im Zentrum des Pyrenäendorfs. Hervorragend eingebettet in diese prächtige Landschaft, wird in der räumlichen Distanz beiläufig auch der soziale Abstand zwischen Thomas und Damien vermittelt.

Im Gymnasium gehen die beiden Teenager zwar in eine Klasse, liegen sich dabei aber immer wieder nicht nur im Turnunterricht in den Haaren. Dennoch nimmt Marianne, als die Mutter von Thomas wegen einer komplizierten Schwangerschaft ins Krankenhaus muss, den Jungen bei sich auf. Ein labiles Gefüge zwischen Annäherung und Zurückweisung, zwischen Ängsten und Begehren entwickelt sich so und auch die Sehnsucht der Mutter nach dem abwesenden Mann wird schließlich mehr Gewicht gewinnen.

Ein zumal in der ersten Hälfte durch die Arbeit mit Handkamera und einen schnellen Schnitt ungemein dynamischer, jugendlich-frischer Film ist dem Altmeister hier gelungen. Geschickt baut er Spannung auf, indem er erst langsam tiefer blicken lässt und ein zunehmend weiteres und feinmaschiges Netz unterschiedlichster Gefühle spannt, denn auch Eifersucht, Schmerz und Trauer kommen schließlich ins Spiel.

Dass das so gut funktioniert, liegt auch an den hervorragenden Schauspielern. Sandrine Kiberlain als Ärztin muss man – wie beinahe immer – auf den ersten Blick mögen und den beiden hervorragenden Jungschauspielern Correntin Fila und Kacey Mottet Klein lässt Téchiné viel Raum, um ihre Gefühle selbst zum Ausdruck zu bringen. Ein sehr physischer Film ist das in der Inszenierung ihrer Aggressionen, mit der sie doch nur ihre wahren Gefühle kaschieren, und im intensiven Zusammenspiel von Fila und Mottet Klein, die den Zuschauer die zwischen Thomas und Damien herrschende Spannung spüren lassen.