650 Jahre Tirol bei Österreich

Tirol feiert heuer ein großes Jubiläum: 650 Jahre Tirol bei Österreich. Die Sonderausstellung "Tyrol goes Austria" beleuchtet schlaglichtartig die Geschichte rund um die Ereignisse von 1363. Sie geht ein auf die Beziehungen zwischen Tirol und dem Hause Habsburg sowie die Rolle der Landeshauptstadt Innsbruck als zeitweilige Residenz des habsburgischen Kaiserhauses. Die Schau spürt auf, wie es um das Österreichbewusstsein der TirolerInnen steht und welche Mythen und Klischees dem ambivalenten Verhältnis zwischen Tirol und Österreich anhaften.

Am 26. Jänner 1363 übergab Margarete, Gräfin von Tirol, später "Maultasch" genannt, das Land im Gebirge an die Habsburger: an ihre Neffen, die Herzöge Rudolf, Albrecht und Leopold von Österreich. Seitdem gehört Tirol zu Österreich. Die Entscheidung der Gräfin fiel im Einvernehmen mit den Tiroler Ständen gegen die Luxemburger und Wittelsbacher. Grund für die Übergabe war der Tod ihres Sohnes Meinhard III., der im Alter von 18 Jahren vor ihr verschied und keine Erben hatte. Zwölf geistliche und weltliche Tiroler Adelige unterzeichneten die prächtige Urkunde in Bozen.

Mit Margaretes Entscheidung änderten sich die politischen Machtverhältnisse in Europa mit einem Schlag zugunsten der Habsburger. Diese erreichten ein seit längerer Zeit verfolgtes Ziel: den Ausbau der habsburgischen Hausmacht sowie die bessere Anbindung an ihre Besitzungen im Westen und die für Verkehr und Handel so wichtige Transitroute zwischen Nord und Süd. Der Ertrag der Tiroler Bergwerke und die prunkvolle Hofhaltung des Kaisers in Innsbruck waren weitere Faktoren, die die Entwicklung des Herzogtums zu einer europäischen Großmacht begünstigten.

Entsprechend dem Dokument von 1363 war Margarete weiter Regentin der Grafschaft. Doch schon im September desselben Jahres verzichtete sie darauf und verließ das Land. Sie starb im Alter von 51 Jahren 1369 in Wien. Die "Weichenstellerin" und eine der wichtigsten Frauenfiguren des Tiroler Mittelalters hatte lange ein negatives Image. Erst im 19. Jahrhundert begann die historische Forschung, das Bild Margaretes von Legenden zu befreien und ihre Leistung für Tirol zu analysieren. Die Ausstellung zeigt Margarete in verschiedenen Facetten: als erhabene Herrscherin, blutrünstige Kriegsherrin, als lüsterne Ehebrecherin oder als hässliche Herzogin und Romanfigur. In der zeitgenössischen Kunst wurde Margarete u. a. von Max Weiler für ein Fresko auf einem Tiroler Bauernhaus aufgegriffen.

Bis 1665 lebten eigene habsburgische Landesfürsten, die die Geschicke des Landes leiteten, in Tirol. Herzog Friedrich IV. "mit der leeren Tasche" verlegte um 1420 die Residenz des Landes von Meran nach Innsbruck. Unter Kaiser Maximilian I. erlebte die Landeshauptstadt als Residenz des Habsburgerreichs eine Blütezeit. Er ließ die damalige Hofburg großzügig ausbauen und das Goldene Dachl sowie den Wappenturm errichten. Innsbruck entwickelte sich nicht nur zum Behördensitz und zum Knotenpunkt der ersten Postlinien, sondern – mit dem Bau des Zeughaus an der Sill – auch zum Zentrum einer groß angelegten Rüstungsindustrie. Maximilian gelangen bedeutende territoriale Vergrößerungen des Landes. Außerdem stattete der Landesfürst die Grafschaft mit Rechten, u. a. mit dem Tiroler Landlibell, aus, die über Jahrhunderte gültig sein sollten.

Nach dem Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger 1665 übernahm das jeweilige Oberhaupt des Hauses Habsburg die Regentschaft über Tirol, womit die Geschicke des Landes von Wien aus gelenkt wurden. Noch zwei Mal erlangte Innsbruck als Residenzstadt eine zentrale Bedeutung innerhalb der Monarchie: Unter Maria Theresia wurde Innsbruck 1765 zum Schauplatz der Hochzeit ihres Sohnes Leopold und der Infantin Maria Ludovica von Spanien. Die Festlichkeiten wurden mit Baumaßnahmen begleitet. Im Mai 1848 verlegte Kaiser Ferdinand I. aufgrund der Bedrohung durch die Revolutionäre in Wien seinen Regierungssitz für einige Monate nach Innsbruck. Für seine Sicherheit sorgten die Schützenkompanien. Tirol blieb bis zum Ende des Ersten Weltkriegs Teil des habsburgischen Reichs. Die 555-jährige gemeinsame Geschichte ist trotz politischer Konflikte und Verlust der alten Rechte durch eine bemerkenswerte Treue der Tiroler Bevölkerung gegenüber der Herrscherfamilie gekennzeichnet.

Beim 500-jährigen Jubiläum der Vereinigung von Tirol und Österreich 1863 wurde Kaiser Franz Joseph von einer jubelnden Menge begrüßt. Jahrzehntelang beschwor der Kaiser strategisch bewusst die Treue Tirols gegenüber dem Kaiserhaus und umgekehrt. Der "Tiroler Held" Andreas Hofer wurde zur willkommenen, kaisertreuen Integrationsfigur für die Ziele des habsburgischen Kaiserhauses. Die konservativ-klerikale Seite forcierte einen speziellen Tiroler Patriotismus, wobei man die religiösen Aspekte der Tiroler Erhebung betonte. 1918, nach Ende des Ersten Weltkrieges und dem Zerfall des Habsburgerreiches, wurde Tirol als Bundesland Teil der demokratischen Republik Österreich.

Am Verhältnis zwischen Tirol und Österreich haften nach wie vor Mythen und Klischees. Ab dem 20. Jahrhundert äußern sich diese vor allem in Ressentiments gegen die Bundeshauptstadt Wien und die österreichische Bundesregierung. Die Wurzeln dafür reichen oft weit in der Geschichte zurück. Die Ausstellung beleuchtet die ambivalente Beziehung zwischen Tirol und Wien mit Filmcollagen. Zitate von Politikern, Künstlern und BürgerInnen sowie Ausschnitte aus TV-Serien wie "Ein echter Wiener geht nicht unter" verdeutlichen, was "die Wiener" über "die Tiroler" denken und umgekehrt.

Der Tiroler selbst hat wohl einigen Anteil daran, dass der Wiener ihn für einen "Exoten" hält, der nicht weiß, dass er Österreicher ist. Mit kulturellen Versatzstücken wie Bräuche, Volkskunst, Trachten und Vereinsbildungen wurde die Andersartigkeit von den Tirolern bewusst zur Besonderheit stilisiert. Die auf ihre Unabhängigkeit, vor allem vom "Wasserkopf Wien", bedachten Gebirgsbewohner glauben, dass die Wiener sie mögen − umgekehrt sei das jedoch nicht der Fall. Das Spannungsverhältnis zwischen Provinz und Metropole, die geografischen Veränderungen von der Monarchie zur Republik, die Tiroler Freiheitskämpfe, die Südtirolfrage sowie das starke Tiroler Landesbewusstsein haben das ihre zu diesen verbreiteten Meinungen beigetragen. Von der Politik werden die Klischees bis heute immer wieder instrumentalisiert. Ein "überzogenes" Landesbewusstsein der Tiroler gipfelte nach 1918 in einem Einreiseverbot, das vor allem gegenüber in Wien gemeldeten Bürgern streng angewendet wurde. Anti-Wien-Reflexe funktionieren auch in den Tiroler Wahlkämpfen des 21. Jahrhunderts.

650 Jahre Tirol bei Österreich
19. April bis 5. Oktober 2013
Museum im Zeughaus
Di bis So: 9 – 17 Uhr