65. Berlinale: Große Namen, hohe Erwartungen

Mehr große Namen von Werner Herzog bis Terrence Malick und Jafar Panahi als in den letzten Jahren finden sich im Line-up des Wettbewerbs der heurigen Berlinale (5. – 15.2. 2015). Und auch das Internationale Forum des jungen Films Forum schürt mit Weltpremieren von Karl Markovics´ "Superwelt" und Nikolaus Geyrhalters "Über die Jahre" die Erwartungen.

Während die anderen großen Filmfestivals in der Regel ihr Programm en bloc präsentieren komplettiert die Berlinale, mit ersten Presseaussendungen im Dezember beginnend, bis Mitte Januar sukzessive ihr Programm. Folgte letztes Jahr auf die Ankündigung von großen Namen im Dezember im Januar nur noch ein Strohfeuer, so kann man heuer mit Regisseuren von Weltformat geradezu klotzen.

Da sind die Deutschen beispielsweise im Wettbewerb mit Werner Herzogs "Queen of the Desert" und außer Konkurrenz mit Wim Wenders´ "Every Thing Will Be Fine" vertreten. Beide haben zwar in den letzten Jahren mehr durch ihre Dokumentarfilme Aufmerksamkeit erregt als durch Spielfilme, aber wenn Herzog mit Nicole Kidman in der Hauptrolle das Leben der britischen Forscherin Gertrude Bell nachzeichnet, die während des Ersten Weltkriegs für den britischen Geheimdienst arbeitete und bei der Neuordnung Arabiens eine entscheidende Rolle spielte, klingt das doch vielversprechend.

Wie bei Herzog spielt auch in Wenders´ 3D-Drama "Every Thing Will Be Fine" James Franco eine Hauptrolle, dazu kommen aber auch noch Charlotte Gainsbourg und Rachel McAdams. Ins Rennen um den Goldenen Bären darf Deutschland neben Herzog auch die neuen Filme von Andreas Dresen und Sebastian Schippers schicken. Während Dresen, der schon vor rund 10 Jahren mit "Halbe Treppe" im Berlinale-Palast begeisterte, mit "Als wir träumten" ein Drama aus der Nachwendezeit vorlegt, wurde "Absolute Giganten"-Regisseur Schippers mit "Victoria" erstmals in den Wettbewerb eines großen Festivals eingeladen.

Wie der neue Film von Wenders läuft auch "Elser" außer Konkurrenz, in dem sich Oliver Hirschbiegel mit dem Hitler-Attentäter Georg Elser beschäftigt. Eröffnet wird das Festival aber mit Isabel Coixets mit Juliette Binoche und Gabriel Byrne hochkarätig besetztem "Nobody Wants the Night".

Weitere prominente Namen im Wettbewerb sind Terrence Malick, der, nachdem er zwischen 1973 und 2011 gerade mal fünf Filme gedreht hatte, in den letzten vier Jahren mit "To the Wonder" und nun "Knight of Cups" gleich zwei weitere Filme nachlegte und zudem noch mehrere Projekte in Arbeit hat. Auch hier kann sich die Besetzung mit Christian Bale, Cate Blanchett und Natalie Portman sehen lassen.

Ist die USA im Bären-Rennen nur mit Malick vertreten, so trumpft die Weltmacht dafür außer Konkurrenz mit Kenneth Branaghs Märchenfilm "Cinderella", der mit Cate Blanchett, Stellan Skarsgard und Helena Bonham Carter ebenfalls prominent besetzt ist, und Mr. Holmes, in dem Bill Condon vom pensionierten Detektiv Sherlock Holmes erzählt, sowie im Berlinale Special mit dem mit Spannung erwarteten "Fifty Shades of Grey" auf.

Während diesen Filmen mediales Interesse gewiss ist, werden sich andere Produktionen aufgrund fehlender Starpower diesbezüglich schwer tun. Während Benoit Jacquots Neuverfilmung des Romans "Journal d´un femme de chambre", den schon Jean Renoir und Luis Bunuel für die Leinwand adaptierten, noch mit Lea Seydoux aufwarten kann, muss der Chilene Patricio Guzman bei seinem Dokumentarfilm "Der Perlmuttkopf" ganz auf seine Geschichte und deren Inszenierung vertrauen.

Gespannt sein darf man auch auf "El Club", den neuen Film von "No!"-Regisseur Pablo Larrain, Peter Greenaways "Eisenstein in Guanajuato" und "Taxi" des Iraners Jafar Panahi, der offiziell in seiner Heimat Berufsverbot hat. Daneben könnte der Wettbewerb mit einer Produktion aus Guatemala, dem für Schräges bekannten Japaner Sabu ("Chasuke´s Journey"), dem Russen Alexej German ("Under Electric Clouds") oder dem Debüt der Italienerin Laura Bispuri ("Sworn Virgin") durchaus auch die eine oder andere Überraschung bieten.

Der Wettbewerb mit seinen 19 Filmen in und vier außer Konkurrenz ist bei der Berlinale nur die Spitze des Eisbergs. Insgesamt laufen in den zehn Tagen des Festivals rund 400 Filme und auch außerhalb des Wettbewerbs gibt es mit Spannung erwartete Premieren.

So feiern im Berlinale Special mit "Life" Anton Corbijns ("A Most Wanted Man") Film über das letzte Lebensjahr James Deans und mit Simon Curtis´ ("My Week With Marilyn") "Woman in Gold" ein Film über die Jüdin Maria Altmann, die versucht Klimts von den Nazis beschlagnahmtes Gemälde "Goldene Adele" durch einen Prozess gegen den österreichischen Staat in den Familienbesitz zurück zu bekommen, ihre Uraufführung. – Beide Filme warten mit Robert Pattinson und Ben Kingsley im Falle von "Life" und mit Helen Mirren, Ryan Reynolds und Daniel Brühl bei "Woman in Gold" mit prominenter Besetzung auf.

Die international bekannten Namen fehlen dagegen im Programm des Panorama eher. Der Amerikaner Hal Hartley zeigt hier zwar mit "Ned Rifle" ebenso seinen neuen Film wie Rosa von Praunheim mit "Härte" und Raoul Peck mit "Murder in Pacot", doch der Österreicher Peter Kern, der mit "Der letzte Sommer der Reichen" eingeladen wurde, dürfte bislang ebenso nur im deutschsprachigen Raum bekannt sein wie die Schweizerin Stina Werenfels, die mit "Dora oder Die sexuellen Neurosen unserer Eltern" den lange erwarteten Nachfolgefilm zu ihrem Debüt "Nachbeben" vorlegt.

Der Platz für Entdeckungen schlechthin ist bei der Berlinale freilich in der Regel das Internationale Forum des jungen Films, das heuer insgesamt 43 Filme zeigt. Einen vor phantastischen Einfällen überbordenden Bilderrausch zu entfalten verspricht hier schon der Eröffnungsfilm, handelt es sich dabei doch bei "The Forbidden Room" um den neuen Film des Kanadiers Guy Maddin.

Einen interessanten Neuzugang zu Kafkas Romanfragment "Das Schloss" verspricht dagegen die chinesische Produktion "K", in der Emyr a Richard und Darhad Erdenibulag die Vorlage in die Innere Mongolei der Gegenwart verlegen. Der Amerikaner Jem Cohen legt dagegen mit "Counting", einem essayistischen Streifzug durch Metropolen unserer Welt eine Hommage an Chris Marker vor.

Aus österreichischer Sicht wird man aber vor allem gespannt den Uraufführungen von Karl Markovics nach seinem starken Debüt "Atmen" zweitem Spielfilm "Superwelt" und Nikolaus Geyrhalters "Über die Jahre" entgegensehen. Während Markovics von einer Supermarktangestellten erzählt, die Gott begegnet, beobachtet Geyrhalter in seinem dreistündigen Dokumentarfilm die Schicksale von Arbeitern einer niederösterreichischen Textilfabrik über zehn Jahre.

Nicht übersehen sollte man bei der Berlinale aber auch die Sektion "Generation", die sich dem Kinder- und Jugendfilm widmet, sowie die "Perspektive deutsches Kino", in der man deutsche Nachwuchsregisseure entdecken kann. Wer freilich auf Nummer sicher gehen will, wird sich auf die Retrospektive konzentrieren, die sich dem Technicolor-Film widmet und damit Farbenrausch und Kintopp pur bieten wird.