65. Berlinale: Enttäuschendes Epos und zwei "kleine" Perlen

Während Werner Herzogs breites Wüstenepos "Queen of the Desert" nicht überzeugen konnte, sorgten kleine Filme des Iraners Jafar Panahi und des Briten Andrew Haigh im Wettbewerb um den Goldenen Bären für erste Höhepunkte.

Auf die Arktisreise von Juliette Binoche im Eröffnungsfilm "Nobody Wants the Night" folgte mit Werner Herzogs "Queen of the Desert" ein breit angelegtes melodramatisches Wüstenepos. Im Mittelpunkt steht Nicole Kidman, die als Gertrude Bell (1868 - 1926) zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus der engen britischen Gesellschaft ausbricht, das Abenteuer sucht und zunächst in der britischen Botschaft in Teheran landet.

Viel Zeit lässt sich Herzog hier für die Liebegeschichte zwischen Bell und dem von James Franco gespielten Botschaftsangestellten und Spieler Henry Cadogan.

Erst nach dem tragischen Ende dieser Beziehung bricht Bell in die arabische Wüste auf, um die Beduinenstämme zu studieren. Mit ihrer Rolle bei der Neuordnung des Nahen Ostens nach Ende des Ersten Weltkriegs und einer zweiten unglücklich endenden Liebe endet der Film.

Prächtig sind zweifellos die Wüstenbilder und Nicole Kidman spielt die Forscherin, Diplomatin und Schriftstellerin überzeugend und engagiert, Herzogs Erzählweise ist aber trotz gewisser ironischen Ansätze äußerst altmodisch und konventionell. Im durch Zeit-Inserts strukturierten "und dann"-Modus reiht er Episoden aneinander und stilisiert Bell zur makellosen Heldin hoch.

An Epen wie "Gone with the Wind" und natürlich "Lawrence of Arabia" will Herzog wohl anknüpfen, doch entwickelt sein Film trotz des aufdringlichen Soundtracks von Klaus Badelts nicht annähernd deren emotionale Kraft, sondern weckt in einem Überfall der Beduinen vielmehr Erinnerungen an die Karl May-Filme der 1960er Jahre. Hieß es damals von den jungen deutschen Filmemachern Papas Kino ist tot", so scheint es Herzog selbst 50 Jahre später mit "Queen of the Desert" wieder zu beleben.

Die Strapazen, den Wahnsinn und das Extreme - Momente, die Herzog in seinen früheren Filmen so leidenschaftlich und eindringlich vermittelte und denen auch bei Gertrude Belle nachzuspüren gewesen wäre - bleiben hier höchstens Behauptung und zurück bleibt eine Edel-Schnulze, die auch die originellen Brechungen seines letzten großen Spielfilms "Bad Lieutenant: Port of Call New Orleans" gänzlich vermissen lässt.

Während Herzog in Panoramaaufnahmen schwelgt, bleibt die Kamera in Jafar Panahis "Taxi" immer im Innern eines Taxis. Trotz 20-jährigem Berufsverbot hat der Iraner in den letzten Jahren drei Filme gedreht. Waren aber "Das ist kein Film" und "Pardé" eher sperrig, so kommt "Taxi" leicht und auch witzig daher, lässt es dennoch nicht an scharfer Kritik anm Teheraner Regime missen.

Blickt die Kamera zunächst lange starr durch die Windschutzscheibe auf die Straße, so kommen später auch die Fahrgäste und auch der Fahrer selbst ins Bild. Dass es sich bei letzterem um den Regisseur Jafar Panahi selbst handelt, bringt ein Fahrgast ins Spiel, der früher dem Regisseur und dessen Sohn Kopien von im Iran verbotenen Filmen geliefert hat.

Wie diese Szene so wirkt der ganze Film ausgesprochen authentisch, erwecken die Gespräche den Eindruck dokumentarische Aufnahmen zu sein und dürften doch wohl durchwegs inszeniert sein. Mag sich da bei der Mitnahme von zwei Frauen, die einem Goldfisch in einer Quelle die Freiheit schenken wollen, noch wenig Regimekritik finden, so tritt diese deutlich zu Tage, wenn ein Schulmädchen, die im Film die Nichte Panahis ist, darüber berichtet, welche Vorgaben ihnen die Lehrerin bezüglich zeigbarer Filme gemacht hat, wenn sich eine Anwältin zu einer Verhafteten fahren lässt, die sich im Hungerstreik befindet, oder wenn sich ein Gespräch zwischen einem entschiedenen Vertreter der Todesstrafe und einer Lehrerin entwickelt.

Wie Panahi hat auch der Brite Andrew Haigh mit "45 Years" einen kleinen und einfachen Film gedreht, der aber gerade durch seine Beschränkung Dichte gewinnt. Haigh erzählt von Geoff und Kate, die kurz vor dem 45. Hochzeitstag stehen, der groß gefeiert werden soll. Zunehmend Risse bekommt aber der harmonische Umgang des Paares, als ein Brief eintrifft, in dem Geof mitgeteilt wird, dass die Leiche seiner Jugendliebe, die vor 50 Jahren bei einer gemeinsamen Bergtour in der Schweiz beim Sturz in eine Gletscherspalte umkam, gefunden wurde.

Weckt die Nachricht zunächst bei Geoff Erinnerungen, die sich nicht so leicht verdrängen lassen, so zerfällt bald seine Frau Kate zunehmend, da sie annehmen muss, dass sie die letzten 45 Jahre nur ein Platzhalter für die Verstorbene war.

Nur über sechs Tage – von Montag bis zum großen Fest am Samstag – erstreckt sich die mustergültig aufgebaute Handlung, spielt weitgehend im Landhaus des Paares, ist aber gleichzeitig sorgfältig in die herbstliche Stimmung der englischen Landschaft eingebettet, die freilich auch metaphorisch für den Herbst des Lebens steht, und fokussiert ganz auf das Paar.

Neue filmische Wege beschreitet Haigh mit diesem gänzlich undramatischen und unsentimentalen, ganz im Alltäglichen Verankerten, aber ungemein genau beobachteten Film sicher nicht, aber für einen Darstellerpreis empfehlen sich Tom Courtenay und – vor allem - Charlotte Rampling schon jetzt.