63. Berlinale: Golderner Bär für das rumänische Drama "Child´s Pose"

Ausgewogen war der Wettbewerb der 63. Berlinale, glanzvolle Höhepunkte fehlten. Mehrere Filme kamen so für den Goldenen Bären in Frage, vertretbar ist die Vergabe des Hauptpreises an Calin Peter Netzers Drama "Child´s Pose".

Ein starkes Bekenntnis für das sozialrealistische Kino, das heuer vor allem aus Osteuropa kam, fällte die Jury unter der Leitung von Wong Kar Wai. Neben "Child´s Pose", in dem Calin Peter Netzer zunächst mit quasidokumentarischem Blick aufzeigt, wie sich die rumänische Upper Class mit Beziehungen und Bestechung alles richtet, dann den Schwerpunkt aber auf die Beziehung zwischen einer egozentrischen Mutter, die ihrem erwachsenen Sohn keinen Freiraum zugesteht, verschiebt, zeichnete die Jury das bosnische Drama "An Episode in the Life of an Iron Picker" sowohl mit dem Großen Preis der Jury als auch mit dem Preis für den Besten Darsteller (Nazif Mujic) aus.

Fragen darf man sich dabei freilich, wie man jemandem einen Darstellerpreis gibt, der sich selbst spielt. Denn Danis Tanovic stellt in seinem Film dokumentarisch und ohne zu dramatisieren, wie schon der Titel sagt, eine Episode aus dem Leben einer Roma-Familie nach, die sich tatsächlich so ereignete. Minutiös zeigt Tanovic die tristen Wohnverhältnisse, den Gelderwerb durch den Verkauf von Schrott, die Beschaffung von Brennholz im Wald. Als Nazifs Frau über Bauchschmerzen klagt, fährt er mit ihr in die Stadt. Da die Familie aber keine Krankenversicherung hat, will das Krankenhaus die nötige Operation erst durchführen, wenn die dafür veranschlagten 500 Euro bezahlt sind. Nazif verfügt aber nicht über diese Summe und so beginnt eine verzweifelte Suche nach Lösungen.

Wenig überraschend ging der Preis für die Beste Darstellerin an die Chilenin Paulina Garcia, die in dem Publikums- und Kritikerliebling "Gloria" brilliert. Während "Gloria" daneben auch mit dem Preis der Ökumenischen Jury ausgezeichnet wurde, gewann "Child´s Pose" neben dem Goldenen Bären auch den FIPRESCI-Preis, den Preis der internationalen Filmkritik.

Im Silbernen Bär für das Beste Drehbuch für Jafar Panahi und Kamboziya Partovi für "Pardé" kann man auch ein politisches Statement für den zu Hausarrest verurteilten und mit Arbeitsverbot belegten Iraner Panahi sehen. Der Regiepreis für David Gordon Green für "Prince Avalanche" ist dagegen die Auszeichnung für einen Regisseur, dem es gelingt nur mit zwei Schauspielern, die in einem von einem Waldbrand arg in Mitleidenschaft gezogenen Region von Texas Straßenmarkierungen ziehen, eine herrlich skurrile und wunderbar warmherzige lakonische Komödie um zwei gegensätzliche Männer, die beide noch nicht wirklich erwachsen sind, zu entwickeln.

Ulrich Seidl ging bei der Preisverleihung ebenso leer aus wie Bruno Dumont mit seinem in seiner Kargheit und Strenge beeindruckenden "Camille Claudel, 1915" oder die deutschen Beiträge "Gold" und "Layla Fourie". Keinen Widerspruch kann es gegen gegen die Verleihung des für einen innovativen Film vorgesehenen "Alfred Bauer Preis" an Denis Côtés "Vic + Flo ont vu un ours" geben. Kein anderer Regisseur experimentierte nämlich so hemmungslos mit Erzählmustern, kein anderer Film ließ aber auch soviel Irritation zurück.