43. Solothurner Filmtage

19. Januar 2008
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Seit 1966 wird Solothurn alljährlich in der vorletzten Januar-Woche (21. - 27.1. 2008) zum Zentrum des Schweizer Films. Das Programm bietet dabei nicht nur einen Überblick über die Produktionen des Vorjahres, sondern vermittelt mit Uraufführungen auch einen Eindruck davon, welche Schweizer Filme im neuen Jahr in die Kinos kommen werden. Den gesellschaftlichen Höhepunkt dieser Woche stellt seit 11 Jahren die Verleihung des Schweizer Filmpreises dar.

Nachdem sich der Konzertsaal, in dem 2007 die Verleihung des Schweizer Filmpreises stattfand, als zu klein erwiesen hat, geht das der "Oscar"-Verleihung nach empfundene Event heuer im CIS-Sportcenter über die Bühne. Neu ist auch die von der Künstlerin Sylvie Fleury kreierte Trophäe, die den in allen vier Landessprachen ebenso wie im Englischen gleichermaßen verständlichen Namen "Quartz" trägt. Erwartet werden zu dem festlichen Anlass, zu dem nur geladene Gäste zugelassen sind, am Mittwoch abend (23.1.) in der Barockstadt an der Aare Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Kultur, vor allem natürlich aus der Schweizer Filmszene.

Die Gewinner von weiteren Preisen, die während der Solothurner Filmtage vergeben werden, wurden zwar schon bekannt gegeben, beim Filmpreis wird aber die Entscheidung zwischen drei bis fünf Nominierten wie beim amerikanischen "Oscar" erst am 23. Januar fallen. In der Kategorie "Bester Spielfilm" ist mit "Max & Co" erstmals auch ein Animationsfilm vertreten. Während Fulvio Bernasconis Boxerdrama "Fuori dalle corde", das schon im Wettbewerb von Locarno lief, und Oliver Rihs´ äußerst schrägem "Schwarze Schafe" wohl nur Außenseiterchancen zuzutrauen sind und über Micha Lewinskys "Der Freund" noch wenig zu hören war, beeindruckte Jeanne Waltz´ "Pas douce" schon auf mehreren internationalen Festivals. – Eventuell mit der Hoffnung auf den Schweizer Filmpreis als Werbeeffekt hat der Verleiher den schon mehrfach angekündigten Kinostart nach hinten verschoben, sodass "Pas douce", der in Deutschland schon im letzten November unter dem Titel "Die Unsanfte" in die Kinos kam, in der Deutschschweiz nun erst im Frühjahr anläuft.

Den Preis in der Kategorie "Bester Dokumentarfilm" werden sich wohl Thomas Haemmerli ("Sieben Mulden und eine Leiche"), Peter Entell ("Shake the Devil Off"), Pierre-Yves Bourgeaud ("Retour à Gorée") und Antoine Cattin/Pavel Kostomarov ("La mère") unter sich ausmachen, da kaum anzunehmen ist, dass Stefan Schwietert, der schon vor zwei Jahren für "Accordion Tribe" ausgezeichnet wurde, mit dem mitreißenden "Heimatklänge" ein zweites Mal triumphieren wird. Erstmals werden auch Preise für den "Besten Darsteller", die "Beste Darstellerin", das "Beste schauspielerische Nachwuchstalent" sowie ein "Spezialpreis der Jury" verliehen. Speziell letzterer ermöglicht es einen aus dem Rahmen fallenden und bei der Preisvergabe mit Bauchweh übergangenen Film doch noch zu ehren – ein Hintertürchen, wie geschaffen für den Animationsfilm "Max & Co".

Solothurn bietet aber nicht nur Rückschau, sondern auch Ausblick. So erleben während der Filmtage, die mit "Max & Co" feierlich eröffnet werden, auch zahlreiche neue Schweizer Filme ihre Uraufführung. Im Bereich des Dokumentarfilms werden beispielsweise Matthias von Guntens "Max Frisch, Citoyen", Paolo Polonis "Salonica" und Felix Tissis "Desert – Who is the Man?" mit Spannung erwartet. Während Christoph Schaub und Michael Schindhelm in "Bird´s Nest – Herzog und de Meuron in China" die Arbeit der beiden Schweizer Architekten im Reich der Mitte dokumentieren, unternimmt Daniella Marxer in "Zuoz" eine Reise in ein von der Welt abgeschiedenes Elite-Internat in den Schweizer Bergen. Cristina Karrer und Werner Schweizer wiederum begaben sich nach Südafrika und versuchen in "Hidden Heart" die Hintergründe der ersten Herztransplantation durch Christian Barnard zu beleuchten.

Bekanntester Name bei den Spielfilmpremieren ist der "Brot und Tulpen"-Regisseur Silvio Soldini, der in Solothurn mit "Giorni e nuvole" vertreten ist. Gespannt sein darf man auch auf "Roulette" von Mohammed Soudani, in dem der algerisch-schweizerische Filmemacher von der Freundschaft eines Spielers und eines jungen Asyl suchenden Albaners sowie dem Auf und Ab ihrer Liebschaften erzählt. Insgesamt scheinen aber speziell die Nachwuchsregisseure komödiantische Stoffe mehr zu interessieren als ernste. So erzählt Justus von Dohnanyi in seinem Regiedebüt "Bis zum Ellenbogen", das beim deutschen Kinostart von den Kritikern gemischt aufgenommen wurde, mit schwarzem Humor von einem Leichentransport von den Schweizer Alpen an die Nordsee und Jaqueline Falk soll mit "Geld oder Leben" ein schräges Gaunerdrama gelungen sein.

Aber Solothurn bietet nicht nur einen Einblick in das aktuelle Schweizer Filmschaffen, sondern mit einer Retrospektive auch wieder die Möglichkeit zum Blick in die Vergangenheit. Rund ein Dutzend Filme mit dem Schweizer Theater- und Filmschauspieler Walo Lüönd ermöglichen eine Reise durch die eidgenössische Filmgeschichte von den Kurt-Früh-Komödien der frühen 1970er Jahre ("Dällebach Kari", 1970; "Der Fall", 1972) über den Neuen Schweizer Film der späten 1970er und 1980er Jahre ("Die Schweizermacher", Rolf Lyssy, 1978; "Die schwarze Spinne", Mark M. Rissi, 1983) bis zu Produktionen der letzten Jahre ("Sternenberg", Christoph Schaub, 2004).

Neben diesen Schweiz-Programmen, sowie Filmtalks und Diskussionen über Themen wie die Filmausbildung in der Schweiz oder die Langzeitsicherung von digitalen Filmen ermöglicht die Sektion "Invitation: Passages", in der Filme aus den Nachbarländern gezeigt werden, aber auch einen Blick über die Grenzen. Aus Österreich wurden so Barbara Alberts "Fallen", Jakob M. Erwas "Heile Welt" und Antonin Svobodas "Immer nie am Meer", aus Deutschland unter anderem Niels Lauperts "Sieben Tage Sonntag" oder aus Italien Giorgio Dirittis "Il vento fa il suo giro" eingeladen.

Und mit drei Kinder- und Jugendfilmen ("Paulas Geheimnis" von Gernot Krää, "1:1" von Annette K. Olesen und "Marta und der fliegende Großvater" von Christian Schwochow) wird auch ein spezielles Programm für Schulklassen angeboten.