Geld ist eine Sache – Musik eine andere

19. September 2012 Rosemarie Schmitt
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Wer wie Gordon Getty, Sohn des legendären Öl-Tycoons Jean Paul Getty, zu den reichsten Menschen der USA gehört, der mag (so die Vorstellung jener, die wie ich nicht dazu gehören) ein leichtes Leben haben, in dem nur jeder erdenkliche Wunsch erfüllbar scheint. Als Komponist jedoch kann der Name (und das Geld) eine Bürde sein: Der Verdacht, man würde sich Aufmerksamkeit aus reinem Geltungsbedürfnis erkaufen, steht sofort (wenn auch meistens unausgesprochen) im Raum.

Beispiele für solch einen Generalverdacht mag es reichlich geben, wenn man bedenkt, wie viele Millionäre (und Millionärsgattinnen!) sich singend, tanzend und schauspielend blamiert haben: Man erinnere sich nur an die legendäre Florence Foster-Jenkins, der schlechtesten Sängerin aller Zeiten. Um es gleich vorweg zu nehmen: Gordon Getty ist keiner dieser sich selbst überschätzenden Millionäre, er hat sein Handwerk von Grund auf gelernt, seine Aufnahmen und Aufführungen sind nicht teuer erkauft, sondern wohl verdienter Lohn eines Komponisten. (Quelle: CODAEX) Forbes-Fakten aus dem Jahr 2009: Net Worth $2.5 billion, Source Oil/Gas, Age 74, Marital Status Married, 7 children.

Der im Dezember 1934 geborene Gordon Getty ist das fünfte Kind der fünften Ehefrau seines Vater J. Paul Getty. Bereits früh (vielleicht mit 5?) brachte ihn seine Mutter Ann Rork zum Klavierspielen. Seit beinahe 50 Jahren ist Getty ebenfalls mit einer Ann verheiratet, er und Ann Gilbert heirateten Weihnachten in Las Vegas im Jahre 1964. Sie scheinen sehr glücklich, einzig, was das Glück hin und wieder trübt, sind vielleicht seine nächtlichen Kompositionsversuche während er schläft. In einem Spiegel-Interview aus dem Jahre 1992 las ich, seine Frau Ann fände es "doch sehr lästig", wenn Gordon in seiner musikalischen Spätschicht beginne rhythmisch mit den Zähnen klappern.

Der frühe Klavierunterricht habe nicht viel gebracht, sagte Gordon Getty selbst, er könne kaum seine eigenen Stücke spielen. Doch muß man nicht zwingend ein herausragender Pianist sein, um zu komponieren. Eine seiner Kompositionen, die Oper "Plump Jack", möchte ich Ihnen heute vorstellen. Darin thematisiert Getty sehr farbenreich und tragisch-komisch, die Freundschaft von Falstaff zum englischen Thronfolger (frei nach Shakespeares Drama "Henry IV").

"Plump Jack" hat es Gordon Getty wohl angetan. Der 1967 geborene Politiker Gavin Christopher Newsom ist Besitzer des PlumpJack Wine Shops, den er 1992 gründete. Es handelt sich hier mitnichten um einen kleinen Laden, in dem man erlesene kalifornische Weine erstehen kann, nein, es handelt sich um ein Multimillionen-Dollar-Projekt, mir Bars, Restaurants und einem Seehotel namens Squaw Valley Inn. Gordon Getty half bei der Finanzierung jenes Plump-Jack-Projektes kräftig mit.

Nun aber zu der Musik, denn wie sagte Gordon Getty: "Das Geld ist eine Sache, meine Musik eine ganz andere." "Plump Jack" ist wenig bekannt bei uns in Europa. Uraufgeführt wurde die Oper von den Sinfonikern aus San Fransico und später gar vom Orchester der BBC in Londons Royal Festival Hall (natürlich nicht uraufgeführt). Es ist in der Tat keine der melodischen Opern a la Puccini oder Verdi, deren Arien uns sofort ins Ohr gehen uns sich weigern, dies jemals wieder zu verlassen. Keine lange Arien, sondern recht kurze Wortwechseln sind typisch für Gettys "Plump Jack".

Auch typisch ist die wunderbare Shakespeare-Sprache, die den Sängern ganz offensichtlich, beziehungsweise hörbar, Spaß bereitet. Doch eigentlich ist es nicht fair, Gettys Oper aufgrund dieser Einspielung als Ganzes zu beurteilen, denn das Münchner Rundfunkorchester, der Chor des Bayerischen Rundfunks und natürlich auch die Solisten, bieten hier nur einen Teil, nämlich die Konzertversion, von "Plump Jack". An der kompletten Oper fehlt es an 2 Szenen, andere wiederum klingen nur teilweise an. Aber diese Einspielung macht eindeutig neugierig und Lust auf mehr. Was "Plump Jack" allemal ist: eine Rarität, eine ganz besondere Entdeckung, und für Opernjäger eine einmalige Beute!

Was Getty selbst wahrnimmt, wenn er seinen "Plump Jack" hört? Jedenfalls nicht Musik, die an seine großen Vorbilder Bach, Beethoven, Mahler oder gar Wagner, erinnert. Es erstaunt ihn selbst, habe er sich doch besonders an jenen stark orientiert. "Wenn ich es mir recht überlege, vernehme ich da eher Filmmusik. Falstaffs Monolog in Gad’s Hill klingt so ähnlich wie eine Szene, in der sich Sylvester an Tweetie heranmacht," sagte Gordon Getty.

Sehen, oder besser gesagt, hören Sie das etwas auch so? Beantworten Sie bis zum kommenden Mittwoch meine Frage (an: klassik@habmalnefrage.de), und mit etwas Glück schicke ich Ihnen Gordon Gettys "Plump Jack" (PentaTone classics) bald zu, dann können Sie es herausfinden.

Wer dirigiert diese Einspielung von "Plump Jack"?

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt