Die glücklichsten aller Melancholien

18. März 2015 Rosemarie Schmitt
Bildteil

Quadro Nuevo – wer kennt sie nicht, diese vier Musiker, die Jazz und Weltmusik auf die genialste aller Weisen zu verbinden wissen! Auf ihrer Webseite schrieben sie: Quadro Nuevo ist die europäische Antwort auf den argentinischen Tango! Das war, bevor sie vom echten argentinischen Tango infiziert wurden. Mit voller Absicht packten die fünf Musiker ihre Sachen (es sollen weit mehr als sieben gewesen sein!) und machten sich auf nach Buenos Aires. Fünf Musiker? Quadro Nuevo? Korrekt! Denn für ihr Tango-Projekt reisten sie quasi als Quinque Nuevo. Mit an Bord war Chris Gall! Ein Ausnahme-Pianist, von dem Sie noch viel hören werden!

"... stürzten uns kopfüber in die Szene, begleiteten Tänzer, jammerten mit einheimischen Musikern ...", las ich im Booklett der CD, in dem auch die Texte und Sinne eines jeden Titels beschrieben sind. So etwa Tango Nr.1 "por una cabeza": "Alles habe ich auf diese Frau gesetzt. So wie beim Pferderennen. Alles auf das eine Pferd. Aber alles verloren. Um eine Kopfeslänge nur. Jetzt bin ich ein Nichts. Wozu noch leben? Ich ziehe mich zurück. (oh ja, sie verstehen sich auf’s Jammern, diese Argentinier!) Aber wenn am nächsten Sonntag wieder eine tolle Stute am Start steht, dann werde ich wieder alles auf sie setzen." (welch ein Jammer!?) Beim nochmaligen Lesen sah ich klarer: "... stürzten uns kopfüber in die Szene, begleiteten Tänzer, jammten mit einheimischen Musikern ..."

Tango ist für mich der Inbegriff des Ausdrucks jener glücklichen Melancholie, die einer wilden, leidenschaftlichen Phase folgt. Hören Sie sich "el dia que me quieras" auf dieser CD an, und Sie werden genau wissen, was ich meine! Und eben genau jene Achterbahnfahrt der Gefühle habe ich nie zuvor derart ausdrucksstark gehört, wie bei diesen neuen Tangos von Quadro Nuevo. Der Jazz und der "echte" Tango – eine Symbiose, die unvergleichlich spannend und emotional tief bewegend ist. Vorausgesetzt es sind solch geniale Musiker am Werke wie in diesem Fall! Ein künstlerisch grandioser Schachzug ohnegleichen war es, einen, nein, genau diesen Pianisten mit an Bord zu nehmen!

Es ist beeindruckend, was diese Musiker in der Lage sind aufzunehmen und musikalisch wiederzugeben. Sie tauchen ein in die Stimmung, in das Leben eines Landes und ihrer Menschen, schaffen aus den Eindrücken Bilder, wie sie kaum ein Maler oder Fotograf lebendiger präsentieren kann. Könnte ich nicht sehen und hörte diese Musik, ich wüsste, wie es in Buenos Aires aussieht, wie die Argentinier Tango tanzen, wie sie sich zu bewegen, zu lachen und zu jammern wissen.

Widerstehen Sie zunächst der Versuchung sich das wundervolle Booklett anzusehen. Versuchen Sie herauszuhören, welche der Tangos nicht von einem Argentinier (wie etwa dem "Heiligen Astor" oder Carlos Gardel), sondern von einem Quadro-Nuevoisten komponiert wurden. Der Tango war schon immer ein Thema für und von Quadro Nuevo. Doch diese Reise nach Buenos Aires hat alles verändert ... Das ist Tango, wie er absoluter, purer, glaubwürdiger und leidenschaftlicher kaum sein kann. Tangos - die wohl glücklichsten aller Melancholien.

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt