Renommierte Autorenfilmer und aufstrebende Talente bei der Biennale von Venedig

2. September 2009
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Man merkt dem Line-up der 66. Biennale von Venedig (2. – 12.9.), auch wenn es 71 Weltpremieren aufzuweisen hat, die harte Konkurrenz im Filmfestival-Herbst an. Große Namen wie Patrice Chereau, Michael Moore und Jacques Rivette fehlen nicht, daneben ist aber viel Platz einerseits für experimentierfreudige andererseits für international noch wenig bekannte Regisseure wie die Österreicherin Jessica Hausner.

Dicht gedrängt ist das herbstliche Filmfestivalprogramm, begrenzt dagegen die Zahl mit neuen Filmen von Starregisseuren. So muss man sich den Kuchen aufteilen und während beispielsweise die Coens "A Serious Man" und Bruno Dumont "Hadewijch" in Toronto präsentieren, darf Wes Anderson mit "The Fantastic Mr. Fox" das London Film Festival eröffnen.

Nicht alles, was er gerne an den Lido geholt hätte, dürfte Marco Müller so bekommen haben. Mit Cannes kann das Line-Up der Biennale hinsichtlich Regiegrößen nicht mithalten, andererseits könnte der Mix aus renommierten Namen, für Avantgardistisches bekannten und noch zu entdeckenden Regisseuren auch für Überraschungen sorgen.

Zu den fixen Größen gehört der 81-jährige Jacques Rivette. Mit dem nur 84-minütigen, großteils in der römischen Cinecitta gedrehten "36 vues du Pic Saint Loup" bringt der Franzose seinen mit Abstand kürzesten Film an den Lido. Fatih Akin ist mit "Soul Kitchen", mit dem er nach "Gegen die Wand" und "Auf der anderen Seite" seine "Liebe, Tod und Teufel"-Trilogie abschließt, im Rennen um den Goldenen Löwen vertreten. Der amerikanische Polemiker Michael Moore wiederum setzt sich nach Abrechnungen mit dem US-Waffenwahn ("Bowling for Columbine"), mit George W. Bush ("Fahrenheit 9/11") und dem US-Gesundheitssystem ("Sicko")immer am Puls der Zeit in "Capitalism: A Love Story" mit der Finanzkrise auseinander, während George A. Romero mit "Survival of the Dead" wohl ein weiteres Mosaiksteinchen zu seinen Zombiefilmen dazufügt. Ein Stammgast auf den großen Filmfestivals ist auch Patrice Chereau, der sich in "Persecution" einem zerstörerischen Dreiecksverhältnis widmet.

Mit den ganz Großen hat es sich damit in Venedig aber schon, einmal abgesehen von Steven Soderbergh, dessen "The Informant" außer Konkurrenz gezeigt wird. Eher zu den Außenseitern zählen muss man die Französin Claire Denis und den Amerikaner Todd Solondz, die in der Regel mit narrativen Erzählweisen brechen und die Zuschauer vielfach verstören. Denis kehrt mit "White Material" nach Afrika zurück, wo sie schon ihren meisterhaften "Beau Travail" drehte, während Solondz mit "Life during Wartime" eine Fortsetzung seines 1998 entstandenen "Happiness" vorlegen soll. Fortsetzung oder Remake – oder was auch immer – von Abel Ferraras rabiatem "Bad Lieutenant" soll auch Werner Herzogs "Bad Lieutenant: Port of New Orleans" sein – ein Film, den man angesichts der letzten Spielfilme Herzogs und der Gegensätzlichkeit von Herzog und Ferrara wohl eher mit großen Befürchtungen als großen Hoffnungen erwartet, sich aber natürlich gern positiv überraschen lässt.

Gewohnt stark vertreten ist in Venedig Italien, das nicht nur mit Giuseppe Tornatores "Baaria" das Festival eröffnen darf, sondern auch mit drei Filmen im Wettbewerb vertreten ist. Allerdings sind von ihren bisherigen Film weder von Michele Placido ("Il grande sogno") noch von Francesca Comencini ("Lo spazio bianco") filmische Großtaten zu erwarten und Giuseppe Capotondi ("Lo doppia Ora") ist ein Newcomer.

Nicht mehr ganz unbekannt ist die Österreicherin Jessica Hausner, die schon im Jahr 2000 mit ihrem Debüt "Lovely Rita" auf sich aufmerksam machte und sich nach ihrem Psychothriller "Hotel" fünf Jahre Zeit gelassen hat für ihren neuen Film. Bei "Lourdes" handelt es sich laut Hausner um ein böses Märchen, das vom Glauben an das Gute im Angesicht von Willkür und Vergänglichkeit erzählt. Österreich ist am Lido heuer überhaupt sehr stark vertreten. So ist die Alpenrepublik als Koproduzent auch an Shirin Neshats Wettbewerbsbeitrag "Women Without Men" beteiligt, in die dem jungen Film vorbehaltenen "Orizzonti" wurden Peter Schreiners "Toto" und Pippilotti Rists teilweise mit österreichischen Geldern finanzierter "Pepperminta" eingeladen, während die ebenfalls von Österreich koproduzierte Verfilmung von Wadis Diris Bestseller "Wüstenblume" in der Reihe "Venice Days" und Patrick Chihas "Domaine" in der Settimana della Critica läuft.

Im Wettbewerb finden sich dagegen neben den schon genannten Regisseure kaum bekannte Außenseiter wie der Japaner Shinya Tsukamoto mit "Tetsuo – The Bullet Man" oder der amerikanische Modedesigner Tom Ford, der mit seinem mit Julianne Moore und Colin Firth besetzen "A Single Man" sein Regiedebüt vorlegt. Während China mit zwei Filmen vertreten ist, Sri Lanka, Ägypten und Israel mit je einer Produktion fällt die völlige Abwesenheit der Lateinamerikaner auf. – Aber wie jedes Festival ist natürlich auch die Biennale nicht nur der Wettbewerb, sondern eben auch die anderen Sektionen, in denen zum Beispiel mit "Villalobos" auch ein neuer Film von Romuald Karmakar oder mit "Reading Book of Blockade" ein neuer Dokumentarfilm von Aleksander Sokurov gezeigt werden.