60. Berlinale: Polanski, Scorsese und der Nachwuchs - Eine Vorschau

11. Februar 2010
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Im Jubiläumsjahr der Berlinale (11. bis 21. Februar 2010) setzt sich fort, was schon bei den letzten Ausgaben festzustellen war: Die Top-Regisseure der Gegenwart zieht es vorzugsweise nach Cannes, in Berlin kommt damit vermehrt der Nachwuchs zum Zug.

Mit den neuen Filmen von Martin Scorsese und Roman Polanski hat die Berlinale zwar zwei große Namen im Wettbewerb (Scorsese allerdings "Außer Konkurrenz"), doch damit hat es sich auch schon. Wird Scorsese mit seinem Star Leonardo DiCaprio zur Präsentation seines Thrillers "Shutter Island", dessen Start von Paramount aus finanziellen Gründen vom Herbst 2009 auf Februar 2010 verschoben wurde, an der Spree erwartet, so wird Polanski der Vorführung seiner Verfilmung von Robert Harris" Roman "The Ghost Writer" aus bekannten Gründen nicht beiwohnen können.

Mit dem Chinesen Wang Quan"an eröffnet zwar der Berlinale-Gewinner von 2007 ("Tuyas Hochzeit") mit seinem neuen Film "Tuan Yuan" ("Apart Together") das Festival, aber zu den Starregisseuren ist Quan"an wohl kaum zu zählen. Auffallend ist freilich, dass für diesen medienwirksamen Termin im Gegensatz zu den letzten Jahren nicht ein publikumsattraktiver und starbesetzter westlicher Film wie Tom Tykwers "The International", Scorseses Stones-Film "Shine a Light" oder das Piaf-Biopic "La vie en rose" ausgewählt wurde, sondern ein wohl eher als Arthouse-Produktion einzuschätzendes Werk.

Daneben wird die Jury unter der Leitung von Werner Herzog im Wettbewerb um die begehrten Bären vor allem die Werke jüngerer Regisseure zu beurteilen haben. Sicher: Zhang Yimou galt Ende der 80/Anfang der 90er Jahre mit Filmen wie "Rotes Kornfeld" und "Rote Laterne" als großer Regisseur, hat in den letzten Jahren aber kaum mehr einen wirklich überzeugenden Film auf die Leinwand gebracht. Und auch um den Dänen Thomas Vinterberg ist es nach seinem fulminanten "Das Fest", der als Prototyp der Dogma-Bewegung 1998 wie eine Bombe einschlug, still geworden.

Ähnliches gilt auch für den Briten Michael Winterbottom, der in Berlin mit seiner Verfilmung von Jim Thompsons 1952 erschienenem Thriller "The Killer Inside Me" vertreten ist. Wie Winterbottoms "Nine Songs" wegen expliziter Sexszenen für Aufsehen sorgte, könnte freilich dieser Film um einen psychopathischen texanischen Hilfssheriff wie schon beim Sundance-Festival wegen ungewöhnlich brutaler Szenen zu Diskussionen führen. So richtig begeistern konnte man sich auch kaum für die letzten Filme von Oskar Roehler, der sich in "Jud Süß – Film ohne Gewissen" mit der Entstehungsgeschichte des berüchtigten NS-Propagandafilms auseinandersetzt.

Zahlreich sind dafür die Regisseure, die schon einen beachtlichen Erstling oder auch mehrere starke kleinere Filme vorgelegt haben, und von denen man nun noch einen Sprung nach vorne erhofft. – Andererseits gilt gerade der zweite Spielfilm als der schwerste. Und so darf man gespannt sein, was Jasmila Zbanic nach ihrem Berlinale-Gewinner "Grbavica" mit ihrem neuen Film "Na Putu" ("On the Path") gelingt oder Benjamin Heisenberg, der nach seinem starken Post-9/11-Drama "Schläfer" in "Der Räuber" einen Bankräuber als Hochleistungssportler porträtiert.

Höhepunkte und Favoriten lassen sich somit im Wettbewerbsprogramm, das von Europa und den USA dominiert wird, in dem eine klassische Filmnation wie Frankreich aber nur marginal vertreten ist, kaum ausmachen und man kann sich gespannt auf das Angebot einlassen – ohne hoffentlich allzu sehr enttäuscht zu werden.

Wenn die wirklichen "Kracher" schon im Hauptwettbewerb fehlen, wird man sie natürlich auch in den anderen Sektionen des Festivals kaum finden. Aber mit neuen Filmen beispielsweise von Andreas Kleinert ("Barriere"), der immer wieder mit seinem genauen Blick für Situationen und Figuren zu beeindrucken vermag, oder von Jacques Martineu und Olivier Ducastel ("L"arbre et la forêt"), die in Berlin schon mit "Meeresfrüchte" das Publikum begeisterten, findet sich im "Panorama" schon mal vom Papier her Vielversprechendes.

Einen großen Brocken gibt es im "Forum" mit Dominik Grafs als Fernsehserie konzipiertem achtstündigen "Im Angesicht des Verbrechens" zu entdecken. Neben diesem Mammutwerk, das von der russischen Unterwelt, allerdings mitten im Berliner Westen, handelt, ist Deutschland in dieser Sektion unter anderem mit neuen Filmen der zur Berliner Schule zählenden Angela Schanelec und Thomas Arslan vertreten. Arslan erzählt in "Im Schatten" von einem aus dem Gefängnis entlassenen Räuber, der einen letzten Coup vorbereitet, während für Schanelec in "Orly" der Pariser Flughafen als Hintergrund für ein Mosaik persönlicher Geschichten dient.

Gespannt sein darf man in dieser Sparte auch auf Debra Graniks soeben beim Sundance Festival ausgezeichneten Film "Winter"s Bone" oder auf die Hommage an den im Westen noch unbekannten japanischen Regisseur Shimazu Yasujiro, der als Erneuerer des japanischen Kinos der Vorkriegszeit gilt.

Nicht übersehen sollte man auch das Kinderfilmfestival, das in der Sparte für Kinder bis 14 beispielsweise Nobuhiro Suwas und Hippolyte Girardots wunderbaren "Yuki & Nina" oder Tizza Covis und Rainer Frimmels "La Pivellina" und in der Reihe "Generation 14plus" unter anderem Mamoru Hosadas mitreissenden Animé "Summer Wars" zeigt.

Dazu kommt die Galaaufführung der restaurierten Fassung von Fritz Langs Klassiker "Metropolis" sowie eine Retrospektive, die unter dem Titel "Play It Again!" auf 60 Jahre Berlinale zurückblickt und zentrale Filme aus der Geschichte des Festivals nochmals präsentiert.