Kunstbiennale Venedig in den Startlöchern

Zu ihrem 120sten Bestandsjahr wartet die Kunstbiennale Venedig vom 9. Mai an mit zahlreichen Rekorden auf: 136 Künstler aus 53 Ländern zeigen mehr als 700 Werke. 89 Nationen beteiligen sich mit Länderpavillons am Wettbewerb um den Goldenen Löwen.

«All the World"s Futures», alle Zukünfte dieser Welt, nennt der diesjährige Kurator Okwui Enwezor die fast sieben Monate dauernde Mammutschau in der Lagunenstadt. Der 51-jährige Nigerianer, Direktor am Münchner Haus der Kunst und 2002 für die Documenta in Kassel verantwortlich, sucht über die Genregrenzen hinweg mit Künstlern, Musikern, Filmemachern und Autoren nach Antworten auf die Krisen unserer Zeit. «Ich möchte Künstler auswählen, die die Grenzen unserer zutiefst konservativen und abgeschotteten Disziplin herausfordern», sagte Enwezor dem Magazin «Monopol». Rund Zweidrittel der Teilnehmer sind erstmals nach Venedig geladen, andere sollen gerade zum 120. Geburtstag die künstlerische Tradition des Festivals deutlich machen.

So lässt Carsten Höller eines seiner Zeitlupen-Karussells im Park der Giardini gondeln, Bruce Nauman sendet Neonbotschaften, und posthum ist Harun Farockis gesamtes Filmwerk zu sehen. Ebenfalls vertreten etwa Walker Evans, Jeremy Deller, Fabio Mauri, Wangechi Mutu und Xu Bing. Georg Baselitz, Isa Genzken, Alexander Kluge und Olaf Nicolai sind aus Deutschland dabei. Zu den Newcomern gehört etwa das syrische Filmkollektiv Abounaddara, das heimlich gedrehte Videoberichte aus dem Alltag des Bürgerkriegs vorstellt.

Herzstück in Enwezors Schau ist die vom britisch-ghanaischen Architekten David Adjaye entworfene «Arena» im zentralen Ausstellungsgebäude. Dort sollen Schauspieler - in Anlehnung an die Vorlesung des Heiligen Buchs bei den Sikhs - täglich das «Kapital» von Karl Marx vorlesen, Zeile für Zeile, immer wieder. «Ich will keine statische Ausstellung, sondern etwas Lebendiges, das sich jeden Tag ändert», zitiert das «Art»-Magazin den Kurator.

Neben Deutschland setzen auch andere Länder wie Belgien, China, der Irak und die Ukraine auf Gruppenausstellungen, während es spannende Soloschauen etwa bei den USA (Joan Jonas), Großbritannien (Sarah Lucas), Dänemark (Danh Vo), der Schweiz (Pamela Rosenkranz) und den Niederlanden (Herman de Vries) gibt. Ihren besonderen Reiz haben auch die 44 «Collateral Events», Sonderveranstaltungen, die quer durch die Stadt in alten Palazzi und Fabrikhallen stattfinden und sich ebenfalls der strengen Auswahl des Kurators stellen mussten.

Insgesamt erwartet Venedig bis zum 22. November erneut rund eine halbe Million Besucher. «Man kann die Biennale nicht sehen, man muss sie scannen», sagt Enwezor. «Ich wüsste nicht, wie man das anders machen soll.» Außer eben ein paar Tage bleiben.