Mein Name ist Bond, James Bond

10. November 2008 Walter Gasperi
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Knapp zwei Milliarden Zuschauer sollen zumindest einen der in den letzten 46 Jahren entstandenen 21 Bondfilme von "Dr. No" bis "Casino Royale" – "Never Say Never Again" (1983) gehört offiziell nicht zur Serie – gesehen haben. – Wie lässt sich die ungebrochene Popularität der langlebigsten Filmserie der Geschichte erklären?

Das Erfolgsrezept des die Filme produzierenden Broccoli-Clan beruht unübersehbar auf einem Spiel mit Standardsituationen und deren geschickter Variation, aber auch auf einer gleich bleibenden Figurenkonstellation. Dazu kommen bei diesem "Kino der Attraktionen" als Augenfutter spektakuläre Effekte sowie exotische und mondäne Schauplätze.

Schaukino im wahrsten Sinne des Wortes bieten die Bond-Filme. Immer und mehr als um alles andere geht es um die Vorführung von Luxus und Exotik, von schönen Menschen, edlen Anzügen, spektakulären Stunts, Casino Spielen, Wunderwaffen und mondänen Orten. Product-Placement und Merchandising wird nicht erst seit den Anfängen der Filmserie, sondern wurde schon in Ian Flemings Romanen betrieben: Gezielt platziert werden nicht nur die Aston-Martins und BMWs, die Bond fährt, sondern auch Wodka Smirnoff, die Omega- oder Rolex-Uhr. Attraktiv ins Bild gerückt werden aber auch touristische Highlights wie neben zahlreichen anderen die Pyramiden von Gizeh ("The Spy Who Loved Me", 1977), Rio de Janeiro ("Moonraker", 1979), ein Meteora-Kloster ("For Your Eyes Only – In tödlicher Mission", 1981) oder der Comer See ("Casino Royale", 2006).

Auch wenn dabei aus einer im tschechischen Karlsbad gefilmten Szene ("Casino Royale") eine in Montenegro wird oder das spanische Cadiz für Kuba ("Die Another Day", 2002) herhalten darf, ist die Werbewirkung einer solchen Filmpräsenz gar nicht zu überschätzen. Bei der Schweizer Schilthornbahn (1), in und um die Teile von "On Her Majesty´s Secret Service", 1969 gedreht wurden, war dies ebenso festzustellen, wie bei der thailändischen Phang Nga Bucht (2), die in "The Man With the Golden Arm" 1974 als Kulisse fungierte.

Mit der realen Welt der Agenten haben die Bond-Filme freilich wenig gemein. Von der düsteren John Le Carré Verfilmung "The Spy Who Came In Out Of the Cold" (Martin Ritt, 1965), Robert de Niros CIA-Chronik "The Good Shepherd" (2006) oder Billy Rays "Breach" ("Enttarnt – Verrat auf höchster Ebene", 2007) trennen sie Welten. Verrichten die Agenten dort trostlose Bürojobs, treibt sie die Geheimniskrämerei in Einsamkeit und Gewissenskonflikte, so ist Mr. Bond ein aktiv agierender, einer der um die Welt jettet und dem Frauen reihenweise in die Arme fallen. – Wunschdenken des (männlichen) Zuschauers erfüllen diese Filme, denn Bond darf fast alles, was dem Normalsterblichen verboten ist oder unerreichbar bleibt: Bond darf ganz legal in beliebigem Ausmaß Gewalt anwenden, kann nahezu unbegrenzt über Konsumgüter und Statussymbole verfügen und erhält zudem regelmäßig technologisch hoch entwickelte Wunderwaffen, die ihn nicht nur retten, sondern auch den männlichen Spieltrieb befriedigen. Viele Filme fanden übrigens nicht nur auf den Spielekonsolen weitere Verwendung sondern wie man hier nachlesen kann ist Bond-Darsteller Daniel Craig auch ein Fan dieses Genres. (3)

Gewandelt und entwickelt haben sich die Bond-Filme zwar im Lauf der Zeit, haben gesellschaftliche und filmische Strömungen aufgenommen, aber mehr als von ihren Regisseuren wurden sie immer einerseits vom Hauptdarsteller andererseits vom produzierenden Broccoli-Clan geprägt. Statt Regiegrößen mit eigener Handschrift wie Quentin Tarantino und Steven Spielberg, die sich um die Regie eines Bond-Films bemühten, engagierte man deshalb lieber routinierte Handwerker wie Guy Hamilton, Terence Young, John Glen oder Martin Campbell, die sich den Regeln der Serie unterordneten. (4)

Prägend sind dafür von Anfang an die Bauten, die bis "Moonraker" Ken Adam und in seiner Vertretung Syd Cain und ab "For Your Eyes Only" Peter Lamont, der zuvor Adam/Cain assistierte, verantwortlich zeichnet. Mag das Budget für die Ausstattung bei "Dr. No" (1962) mit 100.000 Euro noch gering gewesen sein, der Charakter aller folgenden Sets wird durch dessen unterirdische Kommandozentrale definiert. Nie geht es um Reproduktion realer Örtlichkeiten, sondern immer um die Charakterisierung des Schurken durch ein gleichermaßen futuristisches wie in der Detailausstattung mondänes, zeitgenössisch-schickes Ambiente. Durch diese Refugien macht er sich nicht nur für die Geheimdienste unsichtbar, sondern demonstriert damit auch seine technologische Potenz, erlesenen Geschmack und hoch stehenden Bildungsgrad. (5)

Relativ festgeschrieben ist nach den ersten Filmen der Serie auch schon der dramaturgische Aufbau. Ab "From Russia With Love" (1963) leitet immer eine Pre-Title-Sequenz mit spektakulären Stunts das neue Abenteuer des Geheimagenten ein. Erst darauf folgt der Vorspann, der musikalisch ab "Goldfinger" (1964) von einem markanten, hitparadenträchtigen Titelsong begleitet wird.

Nach gleich bleibendem Muster läuft auch die folgende Handlung ab, die vielfach keine Beziehung zur Pre-Title-Sequenz aufweist. Der neue von M erteilte Auftrag führt früher oder später immer zu einem Besuch in der Waffenfabrik Qs, kurz geschäkert wird im Büro mit Miss Moneypenny und am Einsatzort liefert ein Kontaktmann, der zumeist bald darauf ermordet wird, Bond weitere Informationen. Es folgt die Einführung des Bondgirls und spätestens in der Mitte des Films kommt es zur ersten Konfrontation mit einem Handlanger des Gegners, den Bond überwältigt. Dennoch gerät der – ein Widerspruch in sich - "berühmteste Geheimagent der Welt" in Gefangenschaft und in der versteckten, hochtechnisierten Zentrale des Superverbrechers kommt es zum großen Showdown mit obligatem Wettlauf gegen die Zeit und Vernichtung des Gegners und seines Reichs.

Gleich bleibend ist auch die Figurenkonstellation der Bondfilme. Neben dem vielfach prominent besetzten Superschurken (Christopher Lee, Gert Fröbe, Curd Jürgens, Mads Mikkelsen, Mathieu Amalric) darf nie ein Handlanger fehlen, der über eine besondere Eigenschaft verfügt. Am markantesten sind hier der mit einem Eisengebiss ausgestattete Jaws – der Name spielt auf den Originaltitel von Steven Spielbergs "Jaws – Der weiße Hai" (1975) an – in "Moonraker" und "Octopussy" (1981) oder der mit einer rasiermesserscharfen Stahlmelone tötende Oddjob in "Goldfinger".
Seit "Dr. No" fixer Bestandteil eines Bondfilms ist selbstverständlich das Bondgirl, dessen Rolle und Gewicht sich von Film zu Film allerdings immer wieder änderte.

Im Zentrum steht aber der im Laufe der 46 Jahre und 22 Filme von sechs Schauspielern gespielte Geheimagent. Indem die jeweiligen Darsteller ihre Rolle unterschiedlich anlegten, verliehen sie den Filmen auch jeweils einen anderen Charakter. Während Sean Connery (7x) Bond als kompromisslosen, eher der Arbeiterschicht zuzuordnenden Profi anlegte und das australische Model George Lazenby mit seinem bürgerlichen Mittelklasse-Bond ("On Her Majestys Secret Service") scheiterte, setzte der durch die TV-Serie "Simon Templar" vorbelastete Roger Moore (7x) auf Eleganz und Ironie. Timothy Dalton (2x) wiederum brachte mehr Körperlichkeit in die Figur, verlieh ihr aber auch eine menschliche Note, indem er nicht bedingungslos Befehle seiner Vorgesetzten ausführte, sondern Gefühle und Gewissen zeigte. Gegenbewegung dazu brachte Pierce Brosnan (4x), der mit seiner extremen Ironie die Bond-Figur systematisch dekonstruierte. Daniel Craig wiederum ("Casino Royale") brachte mit seinem harten Spiel eine Rückkehr zu den Anfängen. Statt prickelnde Salon-Atmosphäre wie Moore und Brosnan verbreitet der erste blonde (!) Bond durch seinen Zynismus vielmehr die düstere Stimmung eines Film noir.

Wie die Bond-Filme das Genre des Agentenfilms beeinflussten und vor allem zahlreiche parodistische Ableger nach sich zogen ("Derek Flint"- und "Austin Powers"-Reihe, TV-Serien wie "Solo für O.N.K.E.L."), so sind sie selbst auch von den jeweils aktuellen Strömungen des Kinos beeinflusst. Wenn Bond in "Live and Let Die" (1974) im afroamerikanischen Harlem ermittelt, ist das ebenso als Reflex auf die Anfang der 70er Jahre durch Filme wie "Shaft" (1971) eingeleitete kurze Blüte des Blaxploitation-Kinos zu verstehen wie mit der Situierung von "The Man With the Golden Gun" in Hong Kong und Makao versucht wurde an den Erfolg der so genannten Eastern mit Bruce Lee anzuknüpfen. So lässt sich auch "Moonraker", in dem zudem auf der Tonebene auf Kubricks 2001 (1968) und Spielbergs "Close Enounters of the Third Kind" ("Unheimliche Begegnung der Dritten Art", 1977) angespielt wird, als Reaktion auf den Erfolg von "Star Wars" (1977) lesen und die Rückbesinnung auf harte bodenständige Action bei "Casino Royale" resultiert nicht nur aus dem Desaster der vorangegangenen eskapistischen Materialschlacht "Die Another Day" (2002), sondern auch aus dem Erfolg der ersten beiden harten und schnörkellosen Agentenfilme der "Bourne"-Trilogie (2002/2004).

Interaktion besteht aber nicht nur zwischen den jeweiligen filmischen Trends, sondern auch unter den Bondfilmen untereinander, indem man sich immer wieder auf Vorgänger innerhalb der Serie bezieht. Einerseits wird, wenn Halle Berry in "Die Another Day" im orangen Bikini aus dem Meer steigt, unübersehbar auf Ursula Andress´ Auftrittsszene in "Dr. No" angespielt und so die Kontinuität der Serie betont, andererseits markiert "Casino Royale" gleichermaßen Kontinuität und Bruch, wenn Daniel Craig auf die obligate Frage, ob er den Wodka Martini geschüttelt oder gerührt wolle, antwortet: "Sehe ich so aus, als ob mich das interessiert."

Gerade dieses Spiel mit den Formen sowie die unterschiedliche Anlage der Figur durch die wechselnden Darsteller führte so weniger zu einem Bruch als vielmehr zu einer ständigen Neubelebung, die den Bondfilmen eine ungebrochene Attraktivität sichern und ein Erlahmen der Serie im Repetieren des ewig Gleichen verhindern

Anmerkungen:
(1) http://www.jungfrau-zeitung.ch/artikel/?cq_*a15cf41b=ivxPU=87988kbe (abgerufen am 31.3.2008)
(2) http://www.zeit.de/1993/23/Von-Ulrike-Meyer (abgerufen am 31.3.2008)
(3) vgl. Seeßlen, Georg, Kino der Angst. Geschichte und Mythologie des Film-Thrillers, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg, 1980, S. 197f.
(4) vgl. Rauscher, Andreas; Zywietz, Bernd; Mannsperger, Georg; Krüger, Cord, Mythos 007. Die James-Bond-Filme im Fokus der Popkultur, Bender, Mainz, 2007, S.12
(5) Ebd. S. 154

Literatur: Rauscher, Andreas; Zywietz, Bernd; Mannsperger, Georg; Krüger, Cord, Mythos 007. Die James-Bond-Filme im Fokus der Popkultur, Bender, Mainz, 2007