Zwischen Wahn und Wirklichkeit

Mit Hector Berlioz’ "Dramatischer Legende" Fausts Verdammnis steht am Sonntag, 30. Oktober 2011 um 18 Uhr die erste Premiere in der Saison 2011/12 auf dem Spielplan der Oper Stuttgart. Die Eröffnungspremiere ist zugleich die erste Neuproduktion in der Intendanz Jossi Wielers. Die Leitende Regisseurin des Hauses, Andrea Moses, zeigt mit dieser Inszenierung ihre erste Opern-Regiearbeit in Stuttgart. Ihr langjähriger Bühnen- und Kostümbildner Christian Wiehle ist für die Ausstattung verantwortlich.

Hector Berlioz’ bezeichnete seine Vertonung des Goethe-Stoffes zunächst als "konzertante Oper", bis sich später der Untertitel "Dramatische Legende" durchsetzte. Aufgrund seiner ungewöhnlichen dramaturgischen Konzeption und den enormen Anforderungen an eine szenische Umsetzung wurde das Werk vor 1890 ausschließlich instrumental aufgeführt. "Innerhalb der musikalischen Strukturen und den nur fragmentarisch vorhandenen Handlungssträngen muss man eine eigenständige, zusammenhängende und für unsere heutige Zeit relevante Geschichte aufspüren", so Regisseurin Andrea Moses. "Darin liegt die große Herausforderung einer Inszenierung von Fausts Verdammnis."

Andrea Moses zeigt Berlioz‘ Protagonisten als Künstler, der das gesellschaftliche Geschehen durch seine Videokamera hindurch beobachtet, das Gesehene aber nicht reflektieren und verarbeiten kann. "Faust fühlt sich zudem immer weniger imstande, in den Lauf der Dinge aktiv einzugreifen oder im Sinne seiner Überzeugungen Einfluss zu nehmen", so die Regisseurin. "Er ist melancholisch und verzweifelt. In seinen jungen Jahren hat er fast zu viel gesehen von der Welt und glaubt nicht mehr an deren Veränderbarkeit." Faust gibt sich seinem "Weltschmerz" hin. Dadurch wird er zum willkommenen Spielzeug für den Zyniker Mephisto, der sich auf merkwürdige Weise Fausts annimmt, dessen Schicksal neu gestaltet und ihn schließlich genüsslich und sadistisch auf einen Höllenritt durch seine qualvollen Seelenzustände schickt.

Die Ausstattung von Bühnen- und Kostümbildner Christian Wiehle bietet die vielfältigsten visuellen Reize auf und setzt die von Berlioz entworfenen existentiellen Situationen zwischen Traum und Wirklichkeit bildstark in Szene. So wurden unter anderem in den Werkstätten der Staatstheater Stuttgart rund 500 Kostüme neu angefertigt, damit die vom Stück geforderten vielfältigen Verwandlungen des Chores realisiert werden können.

Es singen Maria Riccarda Wesseling (Marguerite), Pavel Černoch (Faust), Robert Hayward (Méphistophélès), Ensemblemitglied Mark Munkittrick (Brander) und der zum "Opernchor des Jahres 2011" gekürte Staatsopernchor Stuttgart samt Opernkinderchor unter dem Dirigat von Kwamé Ryan. Kwamé Ryan war 1997-1999 Assistent von Lothar Zagrosek an der Oper Stuttgart und wurde hier u.a. durch sein Dirigat von Morton Feldmans "Neither" bekannt.

Fausts Verdammnis von Hector Berlioz
In französischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Einführung 45 Minuten vor Vorstellungsbeginn im Foyer, I. Rang
Premiere: 30. Oktober 2011, 18 Uhr

Weitere Vorstellungen:
05./ 10./ 18./ 27. November 2011
15./ 22./ 28. Dezember 2011
03./ 06./ 14./ 24. Januar 2012