Zwischen raumgreifenden Linien und flächendeckenden Objekten

In der vor allem auf zeichnerische und grafische Werke fokussierten Harder Galerie.Z sind derzeit Arbeiten des aus Vorarlberg stammenden Künstler Rouven Dürr zu sehen. Unter dem Titel "Kurve stößt auf Kante" zeigt der 1974 geborene ehemalige Gironcoli-Schüler Exponate, die zwischen raumgreifenden Linien und flächendeckenden Objekten angesiedelt sind.

Rouven Dürr ausschließlich als klassischen Bildhauer begreifen zu wollen, würde seinem Ansinnen nicht gerecht werden. Denn in seinen Papierarbeiten spielt er ebenso mit den Grenzen der Wahrnehmung wie in seinen Objekten. Zweidimensionales wirkt wie Dreidimensionales und umgekehrt, was bei den Betrachtern eine gewisse Verunsicherung auslöst. Exakt diese Reaktion scheint der Künstler evozieren zu wollen.

Während die großformatigen Tuschzeichnungen auf Papier durch die Überlagerung von Ebenen eine räumliche Wirkung vortäuschen, bemühen sich die Objekte nur wenig um eine Dreidimensionalität. Als eigentümlich flach werden sie wahrgenommen. Der typische Charakter einer Plastik, der üblicherweise in der Erfahrung von Räumlichkeit begründet ist, wird somit ersetzt. An dessen Stelle tritt eine Zweidimensionalität, die genregemäß Zeichnungen innewohnt.

Die Eroberung des Raums

Diesen Austausch der Charaktere vollzieht Rouven Dürr ebenso trickreich wie spielerisch. Fette Bahnen, die sich in schwarzer Tusche über das Papier schlängeln, winden, sich verknoten und wieder befreien, treten förmlich aus dem weißen Untergrund heraus und quillen auf. Dicht gedrängt, kämpferisch und massiv erobern sie den Raum. Der Künstler selbst beschreibt den Vorgang so: ”Der Prozess kann durchaus als aggressiver Akt gesehen werden.”

Von hohem physischen Einsatz, den die mächtigen Figuren dem Künstler abverlangen, zeugen die Werke allemal. Sie legen damit den Arbeitsvorgang als solchen dar, was die Unmittelbarkeit und den rauen Ausdruck der Arbeiten unterstreicht. Spuren des Entstehungsprozesses wie Tuschespritzer, geronnene Farbe oder gezogene Linien mit dem Stift werden nicht entfernt, sondern als elementare Bestandteile der gesamten Komposition gewürdigt.

Präsenz statt Eleganz

Was bei den Zeichnungen die “Patzer” sind, sind bei den Objekten die Schabspuren und die Kratzer. Es sind erstaunliche Gebilde, die nicht eindeutig zuordenbar sind. Ein Stück Rohr könnte ein Teil eines Ofenrohrs sein. Ein Teil, das einer Schale ähnelt, könnte auch eine Zunge sein. Allen gemeinsam ist, dass sie unscheinbar und ziemlich platt wirken. Kein Glanz, kein Glamour, kein Bling-Bling. Sie sind einfach da, die Gebilde aus Beton. Meist postiert auf einfach gezimmerten Holzkisten, wie sie für den Transport von Waren aller Art verwendet werden.

Eleganz und Virtuosität spielen bei Rouven Dürr eindeutig keine bedeutende Rolle. Vielmehr strahlen seine Werke durch kraftvolle Präsenz und hinterlassen beim Publikum einen starken Eindruck, seien es die Zeichnungen oder die Objekte. Beide Positionen behaupten sich gleichwertig nebeneinander. Oder wie es der tschechische Künstlerkollege Michael Horsky formuliert: "Ich glaube, dass die Zeichnung und die Plastik in Rouvens Werk sich brauchen, ja sich bedingen."

Rouven Dürr: Kurve stößt auf Kante
Galerie.Z, Hard
14.10.-13.11.
Di/Do 18–20, Sa 10–12 u.n.V.