Zwischen Erinnerungsbruchstücken und Stillleben

26. Oktober 2008
13.09.2008 bis  31.10.2008
Bildteil

Vom 13. September bis 31. Oktober 2008 zeigt die Stadtgalerie Markdorf Malerei, Zeichnung und Photographie von Davor Ljubicic und Matthias Holländer. Ljubicic benutzt bei der Ausführung seiner Arbeiten verschiedene Materialien und Werkzeuge – Graphitstifte, breite Pinsel, transparente Ölfarben, wie auch Damenstrumpfhosen gefüllt mit Graphitpulver und doppelt gekochtem Leinöl.

Mit denen schlägt er die Formen in das von ihm bevorzugte Bildträger-Papier buchstäblich mit Gewalt ein und schafft dadurch Räume von extremer Dichte. Neue malerische und jetzt zum ersten Mal ausgestellte Arbeiten von Davor Ljubicic strapazieren weiterhin feine Zeichen- und Aquarellblätter, bis sie gänzlich ihre Struktur - man könnte fast sagen "ihre Existenz" - verlieren. Durch diese unterschiedlichen Prozesse werden die physischen Aspekte seiner Malerei weiterhin betont. Der Raum des Bildes verdichtet und vertieft sich gleichzeitig und bekommt durch neue Farbkomponenten eine seltsame organisch anmutende innerliche Substanz.

Doppelt gekochtes Leinöl und transparente Ölfarben "fressen" sich durch das japanische Reispapier und befestigen es auf die MDF-Platte. Mehrere Farb- und Graphitschichten bedecken und "belagern" große Zeichen- und Aquarellpapierbögen und machen sie schwer. Die Farbe glänzt. Die Titel der Arbeiten verraten nur wenig: O.T. (G-B), O.T. (K-D), O.T. (D-D), O.T. (L-R)... Scheinbar zu erkennende Formen sind nur Erinnerungsbruchstücke, herausgerissen aus dem Formenvokabular des Künstlers. Im Gegensatz zu den Bildern bekommen die Zeichnungen in ihrer Linienbezogenheit eine subtile Fragilität. Die Papierstruktur bleibt erhalten, und Prozesse finden auf einer anderen Ebene statt, wie zum Beispiel in der Serie O.T. (L-R), in der die Zeichnung durch die gleichzeitige, voneinander getrennte und unabhängige zeichnerische Tätigkeit mit der linken und mit der rechten Hand entsteht.

Auch in dieser Ausstellung zeigt der Maler Matthias Holländer ausgewählte Fotografien aus dem eigenen Materialfundus im Dialog mit seiner Malerei. Thematisch umkreist sie Bilder aus dem Naturhistorischen Museum Wien und dem medizinhistorischen Museum "Josephinum", ebenfalls in Wien, der "Galérie d’Anatomie Compareé" in Paris sowie einigen Arbeiten aus dem alten Schlachthof in Konstanz. Der Titel "Nature morte", französisch für "Stillleben", zitiert einen Begriff aus der niederländischen Barock-Malerei, der als "still leven" (niederld.: "still" = unbewegt, "leven" = Dasein) zum ersten Mal um etwa 1650 mit der entsprechenden Vergänglichkeitsrhetorik auftauchte. Holländer hat diese Motivreihen langjährig verfolgt und bereits in mehreren Gemälden verarbeitet.

Diese Schau gewährt Einblicke in das fotografische Paralleluniversum des Malers, das bislang nur als vorbereitende Skizzensammlung diente und in den Tiefen seiner analogen und digitalen Ordner verborgen blieb. Hier stehen vom Künstler selbst produzierte digitale Fine Art Prints aus den Jahren 2007/08 – meist schwarz-weiss – im Kontrast zu einigen Beispielen aus dem malerischen Werk. Matthias Holländer "erforscht" seit 1979 leidenschaftlich naturhistorische Museen und Sammlungen mit der Kamera. Viele seiner Gemälde verdanken sich solchen Expeditionen in diese frühen Inventare erster globalen Bestandsaufnahmen der Schöpfung. In den selbst bereits vergehenden Tempeln dieser Reliquien einer vergangenen Natur betrachtet der Künstler die Präparate nicht nur als Repräsentanten ihrer Art und Gattung. Hinter der Sammlungsästhetik und Präsentation der Geschichte unseres Herrschaftswissens entdeckt er sie als der Zeitlichkeit preisgegebene Einzelschicksale.


Davor Ljubicic & Matthias Holländer
13. September bis 31. Oktober 2008
Stadtgalerie Markdorf