Zwei Gesichter der 60er Jahre: Catherine Deneuve und Françoise Dorléac

12. Juni 2017 Walter Gasperi
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Kaum 20 waren die Geschwister Françoise Dorléac und Catherine Deneuve, als sie mit "L´Homme de Rio" und "La peau douce" beziehungsweise "Les parapluies de Cherbourg" 1964 zu Stars aufstiegen. Doch während Deneuve in den folgenden Jahrzehnten weiter Film um Film drehte und zur Grande Dame des französischen Kinos aufstieg, starb Dorléac schon 1967 mit 25 Jahren. Das Filmpodium Zürich erinnert an das Geschwisterpaar mit Filmen aus den 1960er Jahren.

Mehrere berühmte Geschwisterpaare gibt es unter den Filmschauspielern. Joan Fontaine und Olivia de Havilland gehören ebenso dazu wie die Keach- und die Carradine-Brüder, die Walter Hill in seinem Western "Long Riders" (1980) dann gleich auch noch die Brüder der James-Younger-Bande spielen ließ, Jake und Maggie Gyllenhaal und Jane und Peter Fonda ebenso wie Ben und Casey Affleck.

Berühmt ist die Rivalität von Joan Fontaine und Olivia de Havilland, Deneuve dagegen brauchte nach eigenen Aussagen lange um über den Tod ihrer um eineinhalb Jahre älteren Schwester durch einen Autounfall am 26. Juni 1967 hinwegzukommen. Gut möglich ist freilich, dass sie, hätte es diesen tragischen Tod nicht gegeben, im Kampf um die besten Rollen und Starruhm später auch zu Rivalinnen geworden wären.

Von Françoise jedenfalls wollte sich die am 22. Oktober 1943 geborene Catherine schon früh abgrenzen, nahm mit Deneuve den Namen ihrer Mutter an, um Verwechslungen zu vermeiden. Ins Filmgeschäft aber brachte sie ihre am 21. März 1942 geborene Schwester, die nach einem Studium des klassischen Tanzes Schauspielunterricht nahm und nach Auftritten am Theater und kleinen Filmrollen 1961 ihre erste Hauptrolle in Norbert Carbonneaux´ Liebeskomödie "La Gamberge" ("Die tolle Masche").

Mit "Tout l´or du monde" ("Alles Gold dieser Welt", 1961) spielte sie auch in einem Werk des Altmeisters René Clair, doch berühmt machten die Schwestern junge Regisseure wie François Truffaut, Jacques Demy, Philippe de Broca oder Roman Polanski.

Verwundern kann das kaum, denn wie das Kino in dieser Zeit sich erneuerte, so trugen auch die Geschwister wesentlich zu einem neuen, modernen und jugendlichen Frauentyp bei. Sie präsentierten sich unabhängig, modebewusst und lebensfroh mit Lust am Shoppen und Reisen.

Die neue Mobilität der 1960er Jahre bestimmt auch Philippe de Brocas turbulente Abenteuerkomödie "L´Homme de Rio" ("Abenteuer in Rio, 1964), mit der Doreléac zum Star aufstieg, aber auch François Truffaut entdeckte sie für sein Beziehungsdrama "La peau douce" (1964), in der sie eine Flugbegleiterin spielte.

Zu dieser Zeit gelang auch Catherine Deneuve mit der Hauptrolle in Jacques Demys Musical "Les parapluies de Cherbourg" ("Die Regenschirme von Cherbourg, 1964) der große Durchbruch. Gemeinsam traten sie im selben Jahr in Eduardo Molinaros Komöde "La chasse à l´homme" ("Jagd auf Männer") auf, berühmter ist aber ihr zweiter und letzter gemeinsamer Film, Demys Musical "Les demoiselles de Rochefort" ("Die Mädchen von Rochefort", 1967).

Im Gegensatz zu diesen heiteren Rollen stehen die abgründigen Charaktere, die Roman Polanski sie spielen ließ. Während er mit Dorléac in der weiblichen Hauptrolle in der bitterbösen Parabel "Cul-de-sac" ("Wenn Katelbach kommt", 1966) von Kommunikationsstörungen und der Verschiebung von Herrschaftsverhältnissen erzählte, ließ er Deneuve in "Repulsion ("Ekel", 1965) als introvertierte Belgierin in einem Londoner Appartment sukzessive sich in Wahnvorstellungen verlieren und in eine Psychose schlittern.

Wie glanzvoll die Karriere Dorléacs weitergehen hätte können, sieht man an der Entwicklung ihrer Schwester, die in den folgenden Jahrzehnten in über 100 Filmen spielte und unter anderem mit Luis Bunuel neben "Tristana" (1970) das abgründige Meisterwerk "Belle de Jour" (1967), mit Jacques Demy den Märchenfilm "Peau d´ane" ("Eselshaut") und mit François Truffaut "Le dernier metro" (1980) drehte.

Doch auch die folgende Generation von Regisseuren von François Ozon über Lars von Trier bis Arnaud Desplechin und Martin Provost wusste die auch mit über 70 noch makellos schöne Schauspielerin, die meist kühle, zurückhaltende Frauen spielte einzusetzen. Nie ließ sie sich dabei auf ein Genre festlegen, spielte in Gangsterfilmen wie Jean-Pierre Melvilles "Un flic" ("Der Chef", 1972) und Alain Corneaus "Le choix des armes" ("Wahl der Waffen", 1981) ebenso wie in Komödien bis hin zu Laurent Tirards "Astérix et Obélix: Au Service de Sa Majesté" ("Asterix & Obelix – Im Auftrag Ihrer Majestät", 2012) und durfte oder musste sich in Jaco Van Dormaels "Le tout nouveau testament" ("Das brandneue Testament", 2015) sogar in einen Gorilla verlieben.

Ausschnitt aus "Les demoiselles de Rochefort"