Man könnte nach Bregenzer Frühling süchtig werden und unbedingt sämtliche Aufführungen zeitgenössischen Tanzes im Festspielhaus anschauen wollen, was viele auch machen, denn der Großteil des Publikums hat ein Abo. Bei der vierten Vorstellung begeisterten die multi-nationalen Tänzerinnen und Tänzer der Emanuel Gat Dance Compagnie aus Marseille mit Lovetrain 2020.
Diese Produktion des israelischen Choreografen Emanuel Gat wurde in Frankreich als beste Tanzperformance der Saison 20/21 ausgezeichnet, und von "The New York Times" (NYT) als laut, fröhlich und lebendig, als ein Fest des Lebens, als ausgelassen und doch streng inszeniert gefeiert. Und pure Lebensfreude schwappt auch wirklich ins Publikum über, das ohne viel über eine mögliche Handlung nachzudenken sich einfach staunend auf das bunte Treiben einlässt. Dabei beginnt es sehr geheimnisvoll: Die Nebelschwaden lichten sich, die Bühne bleibt von Requisiten leer und meist bis in die schmucklose Tiefe genutzt, nur eine Scheibe mit hohen, schmalen Türausschnitten bildet einzelne Akzente und verschwindet dann wieder.
Und auch die Musik ist von den Texten her gar keine leichte Kost, sie versetzt aber in beschwingte Stimmung und in das Lebensgefühl der 1980er-Jahre. Der als zeitgenössisches Musical angelegte Sound stammt von Alben des britischen Duos "Tears for Fears". Den Titel "Lovetrain" entlehnte Gat aus einer Textzeile des Songs "Sowing The Seeds of Love" (1989 ein internationaler Hit), der gegen die Regierung Margaret Thatchers gerichtet war. Für Emanuel Gat sind rein musikalische Aspekte ausschlaggebend für die Zusammenstellung der Titel: "Eine choreografische Ode an Sound und Vibe der 80er, wie sie in der Musik von 'Tears for Fears' verkörpert sind, mit ihrem utopischen Drive und epischen Groove." Die choreografische Struktur bleibt freilassend, "die schiere Willenskraft, das Charisma, das Engagement, die performativen Qualitäten usw. der Tänzer" seien treibende Kräfte.
Für die bunte Eindrücklichkeit tragen gewiss maßgeblich die Kostüme von Thomas Bradley – ist auch einer der 12 Tänzer – bei. Mit Eleganz, Volumen, Asymmetrie, Bauschungen, weiten Röcken und weichfallendem Satin sind es subtile Zitate aus den extravaganten Aufläufen bei der jährlichen Met-Gala in New York. Neben seiner choreografischen Arbeit entwirft Emanuel Gat das Lichtdesign für alle Werke selbst. Es wird zum integralen Bestandteil des kreativen Prozesses. So kann es plötzlich dunkel und still werden oder grell erleuchtet, kurz auch das überraschte Publikum, das zum Schluss nicht nur vom ausufernden Nebel berührt ist. Standing Ovations.
Emanuel Gat Dance Frankreich
Lovetrain 2020 Österreichische ErstaufführungChoreografie: Emanuel Gat
Musik: Tears for Fears
Licht: Emanuel Gat
Kostüme: Thomas Bradley / Wim Muyllaert
Inszenierung: Emanuel Gat Dance / Marjorie Carré / Antonia Auday
Produktion: 2020; Spieldauer: 70 minWeitere Aufführungen beim Bregenzer Frühling 2023:
5.5.23 um 20 Uhr: Akram Khan Company "Jungle Book reimagined"
15. – 18.6.23 um 20 Uhr: aktionstheater ensemble "Morbus Hysteria – Wir haben alle recht"