Zum Terfel nochmal!

5. Mai 2010 Rosemarie Schmitt
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Was für eine Stimme! Welch böse Auswahl! Halunken, Gauner, Bösewichte und Schurken auf einer CD. Die Idee finde ich ebenso aussergewöhnlich wie die Reihenfolge. Vielleicht hätte die Deutsche Grammophon besser daran getan "Bad Boys" Volume 1 bis 3 zu veröffentlichen? Je eine CD mit bösen Jungs aus Oper, Operette und Musical.

Selten benutze ich die Möglichkeit, die Reihenfolge der Titel an meinem CD-Player zu bestimmen. Bei der Einspielung von Bryn Terfels "Bösen-Buben" jedoch genoß ich diese Möglichkeit ausserordentlich. Einer meiner Favoriten ist ohne Zweifel, jedoch nur bei entspannter Laune, Terfels Interpretation von Kurt Weills Mackie Messer. Die deutsche Aussprache scheint dem walisischen Bassbariton kaum Probleme zu bereiten. Kaum, denn spätestens bei der Textpassage "...liegt ein toter Mann am "Struant"", geht der Walise mit ihm durch. Aber was soll‘s, es tut der Aufnahme keinen Abbruch, und schließlich bediente sich Berthold Brecht auch, und nicht nur hin und wieder, fremder Worte. Brecht erklärte dies mit seiner grundsätzlichen Laxheit in Fragen geistigen Eigentums.

Dieses Leiden ist auch noch heutzutage in der schriftstehlenden Branche prävalent und als ALS (Axolotl Laxheit-Syndrom) bekannt. Ich wüßte ja allzu gerne, welche Manuskripte der verlorene Koffer in sich birgt, den Brecht in Moskau einst zurückließ. Brechts ehemalige Mitarbeiterin Margarete Steffin (man sagt, sie sei eine seiner Ghostwriter gewesen) soll ihn mit sich geführt haben. Bis zum heutigen Tag bleibt der Koffer verschwunden. Wer weiß, vielleicht taucht er ja doch irgendwann, während meines Lebens, wieder auf? Nein, verehrte Leserschaft, ich schweife nicht ab. Ich schreibe immer so. Sie werden mich schon noch kennen lernen, denn ich werde Ihnen wöchentlich, genauer gesagt mittwöchentlich, was zu sagen und zu schreiben haben. Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, bei den "Bad-Boys" von Bryn Terfel!

Den Méphistophélès aus Gounods Faust also singt und artikuliert Terfel sowas von französisch, französischer geht es vermutlich gar nicht. Überhaupt kauft man ihm jede einzelne Rolle ab. Ob ich ihm den Don Basilio in Amsterdam auch abgekauft hätte? Bei einer Aufführung von Rossinis "Il barbiere di Siviglia" überraschte Terfel, in der Rolle des Don Basilio mit einem glitzernden Elvis-Kostüm. Für Liebhaber moderner Operninszenierungen sicherlich ein Schmankerl, für mich wäre es wohl eher eine Grund gewesen, das Geld für meine Eintrittskarte zurück zu verlangen. Und Rossini selbst? Rossini soll zwar mit einem urwüchsigen südländischen Humor gesegnet gewesen sein, andererseits war er auch ein äußerst geistvoller und sensibler Mensch. Hätte er Terfel diesen Auftritt je verzeihen können?

Alles in allem, eine gelungene Aufnahme, die Freude macht. Und dafür gibt es von mir einen dicken ClassiCuß!

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt