Ziegen-Rodeo

28. März 2012 Rosemarie Schmitt
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Um an einem Ziegen-Rodeo teilzunehmen, muß man da nicht vor allem eine tadellose Ziege sein? Wer ist jene bei diesem Projekt? Ist es der 56jährige in Frankreich geborene chinesisch-amerikanischer Cellist Yo-Yo Ma? Oder etwa der amerikanische Bluegrass-Musiker Stuart Duncan. Mit seinen 47 Jährchen ist er etwas jünger als Ma und vielleicht auch ein Quäntchen frischer, was darin begründet sein könnte, daß er Fiddle, Mandoline, Gitarre und Banjo spielt. Das hält nun mal jung.

Edgar Meyer, die Ziege? Das fällt mir schwer zu glauben, denn der 51jährige amerikanische Kontrabass-Virtuose, Komponist und Arrangeur interpretierte gar bedeutende Werke des Barock, insbesondere seine Einspielungen von Johann Sebastian Bachs Suiten für Violoncello solo sprechen vehement gegen jegliche Ziegenallüren. Obschon Yo-Yo Ma eben diese Bach-Suiten auch einspielte, aber eben wie es sich gehört, mit dem Cello. Doch der Amerikaner Christopher Scott Thile, kurz Chris Thile genannt, könnte mit seinen 31 Jahren durchaus die gesuchte Ziege sein. Schließlich hat er mit Klassik überhaupt nichts am Hut, spielt Mandoline (dies jedoch großartig) und ist Sänger, progressiver Sänger des Akustik -Trios Nickel Creek. Sie alle vier kämen in Frage, wäre an dieser Einspielung nicht auch eine Frau beteiligt. Alleine die Tatsache daß sie eine Frau ist, könnte sie als Ziege schon nominieren, außerdem kommt erschwerend hinzu, daß Aoife O’Donovan erst 29 und Amerikanerin ist, die man als Singer-Songwriter bezeichnet und die als Sängerin einer ebenfalls progressiven Bluegrass-String-Band ihre Erfolge verbucht.

Diese, in ihrem Metier allesamt Weltklasse-Musiker, trafen sich also um gemeinsam Musik zu machen. Ein genreübergreifendes Projekt mit neuen, eigenen Kompositionen inklusive musikalischem Informationsgewitter (nennt es der Fiddler Stuart Duncan). Wessen Idee war es überhaupt dieses Album "Goat Rodeo" (Ziegen-Rodeo) zu nennen, und weshalb? Goat Rodeo ist ein englischer umgangssprachlicher Begriff der einen chaotischen Zustand beschreibt, bei dem viele Faktoren gleichzeitig funktionieren müssen, damit ein Ergebnis erzielt wird. Die Arbeitstitel waren "Dutch Rodeo", "Jewish Rodeo" oder auch "Piano Rodeo". Der Notenkopist des Bassisten Meyer las die Titel, und schlug spontan einen Begriff vor, den er und seine Frau häufig benutzen, nämlich "Goat Rodeo".

Und nachdem ich diese CD (SONY-Classical) hörte, habe ich eine leise Ahnung was mit chaotischem Zustand vieler Faktoren und gleichzeitigem Funktionieren gemeint sein könnte. Ohne jeden Zweifel ist der herausragenden musikalischen Kompetenz jedes Einzelnen Anerkennung zu zollen, doch vermag mich das Ergebnis dieses außergewöhnlichen Projektes nicht zu fesseln. Yo-Yo Ma mag zwar das Konzept entwickelt haben, doch bleibt genau er in diesem Ensemble der Exot, der nicht improvisierende Klassiker mit den außergewöhnlichen Ideen. Und da es genau ihn trifft, nehme ich Abstand von meinem ursprünglichen Vorhaben, eine Ziege dingfest zu machen. "Am Ende wollen wir einfach nur Musik machen, und die Musik soll aus ihren ursprünglichen Wurzeln in etwas Neues übergehen", sagte Yo-Yo Ma. Ein bißchen Bluegrass (gespielt, nicht geraucht), etwas Singer-Song-Reiterei untermalt mit durchaus sublimen klassischen Nuancen und am Ende nichts, was mir im Ohr hätte bleiben wollen.

Bin am Ende etwa ich die meckernde Ziege dieses Projektes? Hören Sie selbst! Und so kommen Sie möglicherweise zu dieser CD und Ihrer eigenen Meinung: Beantworten Sie bis zum kommenden Mittwoch folgende Frage per Mail an klassik@habmalnefrage.de:

In welcher Stadt ist der Cellist Yo-Yo Ma geboren?

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt