Im Rahmen einer Award Night im Opernhaus Zürich hat das 17. Zurich Film Festival (ZFF) am Samstag Abend in drei Wettbewerbskategorien die mit 25'000 Schweizer Franken dotierten Hauptpreise des diesjährigen Festivals vergeben: Ein Goldenes Auge ging jeweils an die Filme "La Mif" von Fred Baillif (Fokus Wettbewerb), "A Chiara" von Jonas Carpignano (Spielfilm Wettbewerb) und "Life of Ivanna" von Renato Borrayo Serrano (Dokumentarfilm Wettbewerb). Die ZFF Kinderjury zeichnete zudem "Le Loup et se Lion" mit dem Kleinen Goldenen Auge aus.
Bei allen Wettbewerbsfilmen handelte es sich um Welt-, Europa- oder Schweizer Premieren. Neben den drei Hauptkategorien und dem Preis der ZFF-Kinderjury wurde auch noch der Publikumspreis und der Emerging Swiss Talent Award vergeben. "Es haben viel mehr Leute das Zurich Film Festival besucht als erhofft, was zeigt, dass das Kino zurück ist. Viele Filmemacher konnten ihre Filme zum ersten Mal in einem Kino vor einem richtigen Publikum vorstellen und waren gerührt von den Begegnungen mit den Zuschauerinnen und Zuschauern", betont Artistic Director Christian Jungen.
"Fokus" Wettbewerb: "La Mif / "The Fam"
In der Kategorie "Fokus" standen Filme aus der Schweiz, Deutschland und Österreich im Fokus, von denen in diesem Jahr "La Mif" (Schweiz, 2021) mit dem Goldene Auge geehrt wurde. Der Schweizer Regisseur Fred Bailif nahm den Preis vor Ort entgegen. Für das authentische Sozialdrama, das in einem Mädchenheim spielt, arbeitete der Regisseur mit tatsächlichen Heimbewohnerinnen zusammen, die am Drehbuch mitschrieben, improvisierten und beeindruckend ungehemmte Darstellungen ablieferten.
Eine besondere Erwähnung in dieser Kategorie fand "Hinter den Schlagzeilen" (Deutschland, 2021) von Daniel Andreas Sager – denn "dieser herausragende Dokumentarfilm schafft es wirklich, dem Publikum einen einzigartigen Einblick in den investigativen Journalismus zu geben. Er ist Spannung pur und ein Plädoyer für die Vierte Gewalt – sehr wichtig in Zeiten von Fake News," so die Jury.
"Spielfilm" Wettbewerb: "A Chiara"
Als bestem Spielfilm wurde das Goldene Auge an "A Chiara" von Jonas Carpignano (Italien, Frankreich, Schweden, Dänemark, 2021) verliehen. Mit diesem Streifen war Carpignano zum dritten Mal im ZFF-Programm vertreten. In dem neorealistischen Mafia- und Familiendrama entdeckt die 15-jährigen Chiara die kriminellen Verwicklungen ihres Vaters und taucht auf der Suche nach Antworten tief ins Milieu der kalabrischen ‘Ndrangheta ein.
Die Jury entschied sich einstimmig "für diesen Film, der uns sowohl gepackt als auch bewegt hat. Wir waren hingerissen von der modernen Interpretation des traditionellen italienischen Neorealismus, dem außergewöhnlichen Einsatz von Musik und Sounddesign und den hervorragenden Darstellungen von Swami Rotolo und ihrer Familie, die allesamt ihr Leinwanddebüt gaben. Dieser Film ist schlichtweg ein cineastisches Meisterwerk." Der Filmproduzent und Vater de Regisseurs, Paolo Carpignano, nahm den Preis vor Ort entgegen.
Besondere Erwähnungen in dieser Sparte fanden "Jockey" (USA, 2021) von Clint Bentley – "für diesen poetischen und lyrischen Film mit einer unglaublichen Darbietung von Clifton Collins Jr.". sowie "Ballad of a white cow" (Iran, Frankreich, 2021) von Behtash Sanaeeha und Maryam Moghaddam – "für diese komplexe Mischung des Persönlichen und des Politischen, mit herausragender Kameraarbeit und Schauspielleistung", wie die Jury erklärte.
"Dokumentarfilm" Wettbewerb: "Life of Ivanna"
Das Goldene Auge im "Dokumentarfilm" Wettbewerb ging an "Life of Ivanna" von Renato Borrayo Serrano (Russland, Norwegen, Finnland, Estland, 2021). Der Dokfilm zeigt über eine Zeitspanne von vier Jahren die so faszinierende wie harsche Realität einer taffen 26-jährigen Tundra-Nomadin und deren Kampf ums Überleben ihrer Familie.
Die Jury war überzeugt von "der starken visuellen Erzählweise und der sehr persönlichen, vorurteilsfreien Beobachtung eines komplexen, mutigen Charakters. Sowohl der Filmemacher als auch die Hauptfigur teilen eine überwältigende Beharrlichkeit."
Besondere Erwähnungen im Bereich "Dokumentarfilm" erhielten "Soy Libre (Frankreich, Belgien, 2021) von Laure Portier – von der Jury hervorgehoben wird "die persönliche Geschichte, die mit liebevoll, sensibel und mit einem hohen Mass an filmischer Handwerks-Qualität erzählt wird" - sowie "Sabaya" (Schweden, 2021) von Hogir Hirori – von der Jury hervorgehoben wird "das unerschrockene Filmschaffen mit Demut und Eindringlichkeit".
Zudem prämiert
ZFF für Kinder – Jurypreis: "Le Loup et le lion": Der französische Regisseur Gilles de Maistre hat mit "Le Loup et le lion" (Frankreich, Kanada, 2021) die 30-köpfige Kinderjury überzeugt und gewann das Kleine Goldene Auge. Der Abenteuerfilm erzählt von einer jungen Frau und ihren tierischen Freundschaften. Überreicht wurde der Preis von den drei Jurymitgliedern Loris Lätsch, Sophie Treiber und Penthesilea Falkenberg.
Publikumspreis (Audience Award): "Youth Topia": Auch das ZFF Publikum stellt eine wichtige Jury dar: Unter allen Wettbewerbsbeiträgen ermittelt es per Abstimmung seinen Lieblingsfilm – in diesem Jahr "Youth Topia" (Schweiz, Deutschland, 2021) von Dennis Stormer. Die Satire porträtiert den Kampf zwischen jugendlicher Wildheit und wachsendem Pflichtbewusstsein in einer Gesellschaft, in der ein Algorithmus den Zeitpunkt des Erwachsenwerdens bestimmt. Anwesend waren die Darstellerinnen Lia von Blarer und Elsa Langnäse sowie von Produktionsseite Marisa Meier, Katrin Renz und Stefan Jäger.
Science Film Award: "All Light, Everywhere": Der Science Film Award wurde dem amerikanischen Filmemacher Theo Anthony in Form einer Statue und einer Urkunde vom Verein Eye On Science für "All Light, Everywhere" (USA, 2021) überreicht. Der Dokumentarfilm erzählt von einer Zeit, in der Überwachungstechnologien zunehmend unser Leben bestimmen. Die Jury begründete ihre Wahl folgendermassen: "'All Light, Everywhere' erhält den Science Film Award für die poetische und selbstreflexive Untersuchung von Überwachungstechnologien, Datenwissenschaft, Gerechtigkeit, Wahrheit und letztlich Objektivität. Mit einem höchst originellen Ansatz untersucht der Film die Rolle von Bildern und Videos in unserem täglichen Leben und regt die Zuschauer zum Nachdenken über wissenschaftliche Fakten an – insbesondere über diejenigen, welche durch eine Kameralinse wahrgenommen werden. In diesem Sinne stellt sich der Film letztlich auch bewusst selbst in Frage, ohne einen Anspruch auf absolute Objektivität zu erheben."
Emerging Swiss Talent Award (Kritikerpreis): "Azor": Der Preis der Kritikerjury (Guy Lodge, E. Nina Rothe, Max Borg) für ein Schweizer Erstlingswerk ging an den Finanzthriller "Azor" (Schweiz, Frankreich, Argentinien, 2021) des Genfer Filmemachers Andreas Fontana.
Die Jury wählte den Film, der von einem Schweizer Privatbankier im Argentinien der 1980er Jahre erzählt, "aufgrund der selbstbewussten Zurückhaltung des Films, seiner detaillierten und authentischen Beschwörung eines bestimmten Ortes und einer bestimmten Zeit, seiner eleganten Subversion von Genrekonventionen und seiner Verschmelzung des Schweizer Kinos mit einer wahrhaft globalen Sensibilität."