Zeitlose Gefäße

"Form follows function" (Form folgt Funktion) – dieses Zitat des amerikanischen Architekten Louis Sullivan (1856–1924) lässt sich auch auf nahezu alle Geräte ableiten, die für Küche und Vorratsraum im bäuerlichen, bürgerlichen und herrschaftlichen Haushalt bestimmt waren. In der MAK-Ausstellung "Zeitlose Gefäße. In Küche und Keller" werden Objekte vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert gezeigt, wie u.a. Mörser, Messingschalen, Zinnteller, Kannen und Krüge, Pasteten- und Backformen sowie Speiseträger und Kochbücher.

Forschungen haben ergeben, dass bis heute gebräuchliche Gerätetypen bereits in der spätmittelalterlichen europäischen Stadt, deren Kultur durch das Handwerk und Handel treibende Bürgertum geprägt war, entstanden. Der erzeugende Handwerker war kein "Designer" und hat die Gegenstände nicht "entworfen", sondern Form und Funktion übernommen und weiterentwickelt. Üblich war jahrhunderte lang, als funktionell empfundene Formen zu reproduzieren und nur schrittweise, zumeist auf Betreiben der Konsumenten hin, abzuändern; denn neue Geräte bedeuteten jeweils auch eine Verbesserung des Lebensstandards. Wie sehr Gebrauchsgeräte aus Metall, Keramik, Glas und Holz in allen Gesellschaftsschichten und Ständen in Verwendung waren, zeigen bildliche Darstellungen von Wohnräumen und Küchen; der entsprechend präsentierte Hausrat – Töpfe, Schüsseln, Kannen oder Leuchter – bestand aus "realen" Gegenständen, wie noch heute erhaltene Objekte belegen.

Das Gebrauchsgerät zeichnet sich stets durch klare Form, gute Proportion und äußerst sparsamen bis fehlenden Dekor bzw. Schmucklosigkeit aus. Wurde der einfache Gerätetypus nun differenzierter gestaltet, mit reichem Dekor überzogen oder in kostbarerem Material ausgeführt, spricht man von einem Repräsentationsgerät. Wichtige Impulse für die Entwicklung von Eß-
und Trinkgefäßen sowie für Kochutensilien kamen auch von diesem Vorzeigeobjekt, waren doch Handwerker gefordert, neue Techniken zu ersinnen oder neue Materialien, wie Porzellan oder Steingut, einzuführen.

Bis in das späte 19. Jahrhundert waren Gebrauchsgeräte nicht Gegenstand von Sammlungen. Vielmehr wurden sie, hatten sie einmal ausgedient, entsorgt, verbrannt, eingeschmolzen, zerbrochen – oder in anderer Funktion weiterverwendet. Auch technische und kultur-politische Veränderungen trugen zum Verschwinden einzelner Gerätetypen bei, wie anhand von Kochutensilien durch die Jahrhunderte nachvollziehbar ist. An Haken über das offene Feuer gehängte Kessel oder in die Flammen gestellte Dreibeintöpfe wurden ab dem Ende des 18. Jahrhunderts von Kasserollen mit glattem Boden abgelöst, die auf für Kochherde mit vollkommen geschlossenem Feuerraum und metallenen Herdplatten entwickelt wurden. Die Gestalt und das Material von Pfannen und Töpfen mussten sich den neuen Gegebenheiten anpassen.

In der Zeit vor und um 1900, als Schlagworte wie Funktionalität, Schlichtheit und Materialgerechtigkeit wieder als Kriterien für gute Formgebung propagiert wurden, besann man sich der Gebrauchsgeräte der Ahnen, die als Inspirationsquelle für Gefäße gedient haben.


Zeitlose Gefäße. In Küche und Keller
13. Mai 2009 bis 24. Januar 2010