Das Kunsthaus Zürich präsentiert eine grosse Ausstellung, die sich explorativ der Ideengeschichte von Zeit oder dem subjektiven Zeitgefühl widmet. Die Spannweite der künstlerischen Positionen reicht von Künstlern der Renaissance bis zu Künstlerinnen der Gegenwart. In deren künstlerisch-ästhetische Anliegen fliessen biologische, gesellschaftliche und ökonomische Befunde ein.
Die Zeit zählt zu den grossen Rätseln der Zivilisationsgeschichte und ihre Definitionen sind zahlreich. Sie finden sich nicht nur in der Philosophie, in der Biologie und Ökonomie oder der Politik, sondern auch in der Kunst. Der Corona-"Stillstand", als Raum und Zeit schlagartig in ihren Extremen erlebt wurden, macht die Fragestellungen rund um Zeit hoch relevant.
Der von Kunsthaus-Kuratorin Cathérine Hug über drei Jahre im Dialog mit internationalen Expertinnen und Experten – David Rooney (London), Mónica Bello (CERN, Meyrin), Nathalie Marielloni und Régis Huguenin-Dumittan (MIH, La Chaux-de-Fonds) – konzipierte sinnliche Streifzug durch die Geschichte der Zeit umfasst Gemälde, Filme, Installationen, Performances und historische Uhren. Die Objekte zeugen von der Flüchtigkeit des Lebens, von Meditationsmöglichkeiten in der Malerei, vom Wechsel der Jahreszeiten oder von einem Finanzmarkt, der inzwischen auf die Billionstelsekunde getaktet ist. Auch wenn die Uhr als Zeitmessinstrument am Ausgangspunkt steht: Perspektiven wie die physikalische, biologische, paläontologische, jene persönlicher Empfindungen und andere, werden in der auf über 1200 m2 präsentierten Ausstellung in sechs Kapiteln untersucht. Partizipative Performances und Installationen laden dazu ein, sich gemeinsam über unterschiedliche Zukunftsmodelle auszutauschen: Eine interessante Option, die das Kunsthaus vor dem Hintergrund bietet, dass im Zeitalter des Anthropozäns vermehrt darüber spekuliert wird, wie viel Zeit nicht nur dem Individuum, sondern der gesamten Menschheit bleibt, um das Überleben auf und mit dem Planeten Erde zu sichern.
Es gibt über hundert Begriffe, die das Wort "Zeit" enthalten; manche wie "Zeitenwende", "Auszeit" oder "Freizeit" erleben heute ein überraschendes Comeback, andere wie "Zeitung", "Zeittakt" oder "Zeitlupe" drohen allmählich zu verschwinden. Hingegen steht neu auf der sprachlichen Agenda "zeitkrank". "Zeitdruck" wiederum kann sich mühelos über Jahrhunderte hinweg behaupten. Eine Antwort auf die Frage, was Zeit ist, lässt die Ausstellung offen. Durch vielfältige Anstösse ermutigt sie das Publikum, die verschiedenen Facetten des Zeitbegriffs miteinander in Beziehung zu setzen: Ist die Zeit nun physikalischer Natur? Beschreibt sie als absolute Grösse die Lichtgeschwindigkeit? Oder handelt es sich bei ihr um eine subjektiv-diffuse Empfindung, die als "Eigenzeit" versus den "Zeitkonfettis" in einem immer stärker fragmentierten Tagesverlauf wahrgenommen wird? Das Kunsthaus zeigt, dass die künstlerische Beschäftigung mit dem Begriff "Zeit" unendlich vielfältig ist.
Zeit. Von Dürer bis Bonvicini
22. September 2023 bis 14. Januar 2024