Wo NZZ und Bild die Nase vorn haben

16. September 2019 Kurt Bracharz
Bildteil

Am vorigen Mittwoch, dem 11. September, blätterte ich wie so oft in einer Buchhandlung in den Tageszeitungen. Früher wurde ich dabei durchaus mit „Erst kaufen, dann lesen!“ angekläfft, mittlerweile ist das nicht mehr der Fall, weil man mitgekriegt hat, dass ich zuletzt doch immer eine der Zeitungen kaufe – die mit dem an diesem Tag höchsten Anteil an Interessantem. Am Mittwoch gefiel mir eine Meldung auf der ersten Seite der „Neuen Zürcher Zeitung“ ganz besonders: Trump hatte endlich seinen Nationalen Sicherheitsberater John Bolton geschasst. Weil ich es eilig hatte und wegen Öde des Kulturteils der NZZ an jenem Tag nahm ich aber stattdessen die „Presse“ mit, die ich für die journalistisch bestgemachte österreichische Tageszeitung halte. Zuhause suchte ich darin vergeblich einen Bolton-Artikel. Ich machte mir die Mühe, einen Kiosk aufzusuchen und dort in den Zeitungen kurz den politischen Teil durchzusehen. Verblüffung! Die „Süddeutsche Zeitung“, die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und der österreichische „Standard“ hatten Trumps Tritt für Bolton nicht im Blatt, die Bild-Zeitung aber schon. Das lässt Rückschlüsse auf einen zu frühen Redaktionsschluss der Qualitätszeitungen zu, erklärt aber auch nicht alles: Die NZZ hatte ja nicht nur die Nachricht als zweitwichtigste Meldung des Tages auf der ersten Seite stehen, sondern füllte darüber hinaus ein Drittel der Seite 3 mit einen Artikel zum Thema. Vielleicht bediente man sich da aus den vorbereiteten Nachrufen oder man hat für die Politiker der Trump-Administration fertige Artikel für den Tag ihrer Entlassung bereit. Die BILD-Zeitung tut sich mit ihren kurzen Texten nicht schwer, einen im letzten Augenblick auszutauschen, und meldete auch nicht mehr als das Geschehnis. Aber dass die Redaktionen aller anderen großen, seriösen Zeitungen schon im Schnarch-Modus waren, als die Nachricht hereinkam, verwundert doch.

Zum Ereignis selbst: Es zeigt einmal mehr, dass Trump ein One-Trick-Pony ist. Dass er Leute beliebig einstellt und feuert, wusste man schon länger. Unklar ist, ob er sich von dem dadurch entstehenden Druck bessere Leistungen verspricht. In der Praxis funktioniert das nicht, weil jeder weiß, dass er ohne Grund gefeuert werden wird. Bei John Bolton dürfte nun allerdings ein echter Grund vorgelegen sein, nämlich Trumps angebliche Verhandlungsbereitschaft mit den Taliban (die er mittlerweile schon wieder ebenso überraschend gekippt hat – wenn man bei solchem sich mehrenden Verhalten noch von Überraschung sprechen will). Das war für den Hardliner – wie man heute einen Kriegshetzer nennt, Wikipedia nennt ihn sogar einen „Architekten“ des Irakkrieges – Bolton inakzeptabel und nachdem der Mann ein Spinner, aber kein Weichei ist, hat er das Trump auch klar gemacht, was dieser mit dem Hinauswurf beantwortete. Immerhin hat er Bolton offiziell erklären lassen, er sei selbst zurückgetreten, und erst danach wie immer per Twitter nachgetreten, indem er unnötigerweise schrieb, er und andere in der Regierung „disagreed strongly with Bolton on many issues“. Das ist sachlich richtig, tatsächlich will kaum jemand anderer Krieg mit Nordkorea, dem Iran und Venezuela. Übrigens teilt sich Bolton mit dem Potus zwei biographische Details: Erstens haben sich beide vor dem Vietnamkrieg gedrückt, Trump per medizinischem Attest, Bolton durch Eintritt in die Maryland Army National Guard. Zweitens sind beide aktive Schleudern von Fake News: Trump mit seinen Tweets, Bolton mit seinem Vorsitz (bis 2018) des Gatestone Institute, offiziell eine „Denkfabrik“, tatsächlich eine Desinformations-Agentur.

Vielleicht hatte Boltons Rausschmiss aber auch einen ganz banalen Grund. Bob Woodward beschreibt in seinem Buch „Furcht“, wie Bolton schon 2017 als Nationaler Sicherheitsberater in Betracht gezogen wurde: „Der nächste Kandidat war John Bolton, ein hartgesottener Rechter und ehemaliger UN-Botschafter. Er hatte sein Studium in Yale summa cum laude abgeschlossen, befürwortete den Irak-Krieg und setzte sich für den Regimewechsel in Irak und in Nordkorea ein. Regelmäßig trat er bei Fox News auf und gab für 2017 allein von Fox ein Einkommen von 567 000 Dollar an. An seinen Antworten war nichts auszusetzen, aber Trump mochte seinen großen, buschigen Schnurrbart nicht. Er war die falsche Besetzung für die Rolle.“