Weltmodelle

Der Liechtensteiner Jens Dittmar arbeitete als Verlagslektor, Dramaturg und Geschäftsführer des Kunstraums Engländerbau in Vaduz. Bis Mitte der 90er Jahre trat er auch als Bildender Künstler hervor. Mit der Ausstellung "Weltmodelle" gibt der Autodidakt Einblick in bisher verborgene Aspekte seines Schaffens. Während bisher meist seine Buchobjekte gezeigt wurden, sind es diesmal überwiegend Kleinformate aus früherer Zeit, die aber gleichwohl die Nähe zum Buch und zur Schrift erkennen lassen.

Bei den "Weltmodellen" handelt es sich um Entwürfe für ein Leben jenseits von Sprache. Das Utopische und Flüchtige ist wesentlich für diese philosophischen Zeichnungen. Die Skizzen suggerieren Lesbarkeit und Verständnis, spielen mit der Erwartung des vernunftbegabten Betrachters und führen oft in die Irre. Insofern könnten die Bilderserien erkenntnistheoretisch genannt werden.

In diesem Punkt berühren sie das zentrale Thema in Jens Dittmars Arbeit: die Erkenntnistheorie. Ob als Autor oder Künstler – immer rückt er die Frage nach den sprachlichen Mitteln ins Zentrum seines Schaffens: Wie kann mit Sprache oder verwandten Methoden eine Aussage über die Beschaffenheit der Welt gemacht werden? Wenn die Sprache sich als untauglich erweist, so ist sie doch in der Lage, unzählige beliebige Weltmodelle zu entwerfen. Anstatt in eine Sinnkrise zu verfallen, vollzieht der skeptische Gaukler die kopernikanische Wende, indem er ein Weltmodell nach dem anderen aus dem Ärmel zaubert. So kann man mit Fug und Recht sagen: "Wissenschaft ist Science Fiction, und das kann sehr lustig sein."

Der Kunsthistoriker Dr. Peter Stobbe, Leiter der Kunstschule Liechtenstein, schreibt über die "Weltmodelle": "Ihnen eignet die Unmittelbarkeit des momentanen Zugriffs auf das Ganze, ohne didaktisch oder erklärend zu wirken. Andererseits entfalten sie eine sehr eigene Bildsprache durch die allen Arbeiten gemeinsame formale Reduktion auf ein geheimnisvolles Netzwerk aus Linien, aus Pfeilen, die Beziehungen zwischen den einzelnen Verortungen herstellen … Der Betrachter empfindet eine gewisse geistige Strenge, welche sich als roter Faden durch das Ganze zieht, er sieht sich konfrontiert mit einer schwerelosen Plastizität. Hier zeigt sich ein künstlerischer, eigener Kosmos, die Suche nach Wesentlichem jenseits des rein Ornamentalen, respektive jenseits einer primären Bildhaftigkeit. Die Weltmodelle nehmen gewisse Ansätze der Konzept-Kunst vorweg, andererseits tangieren sie ebenso die fragilen Welterklärungsversuche, wie sie einige Vertreter der Art brut vorgelegt haben."

Zum Thema Erkenntnistheorie gehören auch einige wenige in der Galerie gezeigte Buchobjekte und Unikatbücher sowie Beispiele aus der Serie "Tabula Rasa", die in den 80er Jahren als Hommage an den Komponisten Arvo Pärt entstanden sind.

Jens Dittmar - Weltmodelle

16. April bis 30. April 2010