Weingartners Aktivisten kehren zurück

24. September 2007
Bildteil

Alles, was das Publikum liebt, bietet Hans Weingartners "Free Rainer", der beim 55. Filmfestival von San Sebastian gestern seine Europapremiere feierte: Hohes Erzähltempo und viel Humor, Underdogs als Hauptfiguren und an Kritik am heutigen Fernsehen wird auch nicht gespart.

Obenauf schwimmt TV-Produzent Rainer (Moritz Bleibtreu) mit das Volk verdummenden TV-Shows zumindest nach Aussen hin. Innerlich wirkt er fertig, kommt nur mit Koks űber die Runden und rast wie bescheuert mit seinem Sportwagen durch die Stadt. – So rasant wie Rainers Leben ist, beginnt auch Weingartners Film - űberdreht wie ein Comic.

Ein Autounfall und das daran anschliessende Nahtod-Erlebnis bringen Rainer aber zum Umdenken. Anspruchsvolles Fernsehen, in dem das Publikum die Wahrheit űber die Welt erfährt, möchte er nun machen, erleidet damit aber Schiffbruch, denn die Einschaltquoten sinken ins Bodenlose. Erfolg wird von Rainer gefordert, doch der gibt so schnell nicht auf, legt jetzt erst zusammen mit der jungen Aktivistin Pegah richtig los: Wenn schon die Quoten das Programm bestimmen, muss man ganz einfach die Quoten manipulieren und dann wird sich automatisch das Sehverhalten und damit auch wieder das Programm ändern, ist die Devise des Duos, das noch lange kein Paar ist, dafűr mit dem Soziopathen Philipp bald zum Trio wird.

Mehr als nur Einiges in Hans Weingartners neuem Film erinnert an seinen Hit "Die fetten Jahre sind vorbei". Statt gegen die Wohlstandsgesellschaft im Allgemeinen gehts nun konkret gegen das niveaulose Fernsehen. Wieder ist ein Trio am Werk und die Polizeiaktion am Schluss scheint geradezu den Vorgängerfilm zu zitieren. An diesen erinnert aber auch das flotte Erzähltempo, der Sinn fűr Humor und die Parteinahme fűr die gewaltfreien Rebellen. Kein intellektuelles Kino wird hier geboten, sondern sűffiges Unterhaltungskino. Der leichten Konsumierbarkeit von TV-Serien ist Weingartners Film nicht fern, doch die Unterhaltung geht nie auf Kosten des Engagements. Zu dick und aufgesetzt werden in diesem Bestreben zum Teil sogar "Informationsblöcke" hineingepresst, der Sympathie, die diesem Film entgegenschlagen dürfte, wird dies aber kaum einen Abbruch tun: Denn wenn Underdogs gegen die Eliten und das Establishment gewaltfrei rebellieren, erfreut dies den Zuschauer immer.

Wie Weingartner niveauvolles Fernsehen fordert, das den Zuschauer bildet und so zu einer Demokratisierung der Gesellschaft beiträgt, bietet er, wenn auch nicht bierernst, sondern ironisch gebrochen, auch einen Bildungs- und sanften Agitationsfilm. Vom kämpferischen Kino der Jahre um 1968 ist "Free Rainer" hinsichtlich der Intention nicht allzuweit entfernt, und Weingartner selbst erweist durch den verspielt-didaktischen Gestus teils auch als "Erzieher" oder – wie der englische Titel von "Die fetten Jahre sind vorbei" - "Educator", bietet aber auch für die Spassgesellschaft von heute etwas und kann so als lustvoller Appell zu Widerstand und gewaltfreien Protestaktionen vielleicht mehr bewegen als ein intellektuelles Nischenprogramm.

Läuft derzeit in den Weltlichtspielen in Dornbirn