Weihnachten mit Marxens

In guter, jahrzehntelanger Tradition zeigt das Österreichische Filmmuseum auch heuer wieder an den Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr Filme mit den Marx Brothers – diesmal im Wechselspiel mit Beispielen aus dem genialen Frühwerk von Charlie Chaplin. Die ausgewählten Marx-Filme umspannen deren gesamtes Schaffen: vom Langfilmdebüt The Cocoanuts über Horse Feathers und A Night at the Opera bis zu den späten Werken At the Circus und A Night in Casablanca.

Sa 26.12. 2009, 20:30 Uhr - The Cocoanuts (1929)
Regie: Robert Florey, Joseph Santley; Drehbuch: George S. Kaufman, Morrie Ryskind; Kamera: George J. Folsey; Darsteller; Groucho Marx, Harpo Marx, Zeppo Marx, Chico Marx, Margaret Dumont. s/w, 93 min

Der erste Film der Marx Brothers, eine Übertragung ihres gleichnamigen Broad­way-Hits in den frühen Tonfilm, mithin im Ruf stehend, noch recht "unfilmisch" zu sein - was auch ein großes Glück ist: The Cocoanuts bietet ein nahezu un­verfälschtes Dokument der Marx’schen Vaudeville-Kunst. Die Brüder agieren in aller Frische, am Zenit der Unbekümmertheit. Unstrittig ist auch die Leidensfähigkeit von Margaret Dumont, die stets das beste Opfer von Grouchos Beleidigungen war, sowie die reizende Verbalanarchie der Marxe. Chico zu Harpo: "Right now, I’d do anything for money. I’d kill somebody for money. I’d kill you for money." Und auf Harpos bekümmerten Blick: "Hahaha - ah no, you’re my friend. I’d kill you for nothing!" Groucho über die beiden Regisseure, den bemerkens­werten Franzosen Robert Florey und den US-Studio hack Joseph Santley: "One of them didn’t understand English, the other didn’t understand Harpo." (C.H.)

So 27.12. 2009, 20:30 Uhr - Horse Feathers (1932)
Regie: Norman Z. McLeod; Drehbuch: Bert Kalmar, Harry Ruby, S. J. Perelman, Will B. Johnstone; Kamera: Ray June; Darsteller: Groucho Marx, Harpo Marx, Chico Marx, Zeppo Marx, Thelma Todd. s/w, 67 min

"Whatever it is", so Groucho in diesem satirischen Depressionsära-Rundumschlag, "I’m against it!" Simone de Beauvoir: "Mit Hochgenuss sah ich zu, wie die Marx Brothers jetzt dem Film den Garaus machten. Wütend zerfetzten sie nicht nur die gesellschaft-liche Routine, das gesteuerte Denken, die Sprache, sogar den Sinn der Dinge und schufen sie dadurch neu. Zerstörung und Poesie: Was für ein schönes Programm." Oder wie es Groucho hier, als pro­fessioneller Wortverdreher und die Konzeptlosigkeit zum Konzept er­hebender College-Leiter Prof. Quincy Adams ­Wag­staff auf den Punkt bringt: "Could you all stand up, so I can see my son rise?" (C.H.)

Mo 28.12. 2009, 20.30 Uhr - A Night at the Opera (1935)
Regie: Sam Wood; Drehbuch: George S. Kaufman, Morrie Ryskind; Kamera: Merritt B. Gerstad; Musik: Herbert Stothart; Darsteller: Groucho Marx, Chico Marx, Harpo Marx, Kitty Carlisle, Sig Ruman. s/w, 91 min

MGM versuchte den anarchischen Reiz der Marx Brothers zu ­mildern, indem deren Komik publikumsträchtige Romanzen ­bei­gemengt wurden: ein Unterfangen, das den unerhörten Humor der Brüder nur sehr langsam auszuhöhlen vermochte - A Night at the Opera, das erste und erfolgreichste MGM-Marx-Werk, ist laut Groucho "der beste unserer Filme" und hat - nicht nur wegen der unsterblichen Kabinen-Szene - Chaplin und Brecht, Ionesco und Dalí als vorbehaltlose Fans. Guy Alombert über die Marx Brothers: "Unerbittliche Poesie, fast ebenso rabiater Frauenhass, unersätt­liche Geldgier und ein dämonischer Hass auf die Dummheit." (C.H.)

Di 29.12. 2009, 20:30 Uhr - At the Circus (1939)

Regie: Edward Buzzell; Drehbuch: Irving Brecher, Ben Hecht; Kamera: Leonard M. Smith; Darsteller: Groucho Marx, Chico Marx, Harpo Marx, Eve Arden, Margret Dumont. s/w, 84 min

Harpo spielt Tic Tac Toe auf der Giraffe, Chico fragt sich, wie man 10.000 Dollar zurückbekommt - und Groucho weiß nicht nur die Antwort ("Easy. Offer a reward of 15.000 dollars"), sondern gibt auch noch eines der erhabensten Musikstücke aller Zeiten zum Besten: "Lydia, the tattooed lady", mit dem unsterblichen Reim: "Lydia, oh Lydia, that encyclopedia". Eine weitere Schändung der Zivilisation durch Marx mal drei. Statt E-Musik setzen die Brüder der High Society Nonsens und Zirkus vor, das Symphonieorchester hingegen treibt in den Ozean davon. (H.T.)

Mi 30.12. 2009, 20:30 Uhr - A Night in Casablanca (1946)

Regie: Archie Mayo; Drehbuch: Joseph Fields, Roland Kibbee, Frank Tashlin; Kamera: James Van Trees; Musik: Werner Janssen; Darsteller: Groucho Marx, Harpo Marx, Chico Marx, Lois Collier, Sig Ruman. s/w, 84 min

Ein Schwanengesang. Der letzte Film, der die personale Trinität von Zerstörungslust-Witz-und-Poesie, genannt The Marx Brothers, vereint: eine ihrer vergnüglichsten und bösartigsten Genreparodien. Wie eine Heuschreckenplage fallen Groucho, Chico und Harpo über den Ernst von Casablanca und diverser (Anti-Nazi-)Spionagefilme her. Während sie deren Dramaturgie im besonderen und die Logik des Weltgeistes im allgemeinen schänden, lassen sie es sich nicht nehmen, der Muse der Nutzlosigkeit zu huldigen: mit einer Kaskade aus Worten, einem Fingertanz über die Tastatur des Klaviers und ­einem schweigenden Harfensolo am unmöglichsten Ort zur unmöglichsten Zeit. (H.T.)