Beim Baseball verlässt das Team unmittelbar nach dem "walk off home run" das Spielfeld. Für Robin Rhode ist der walk off das letzte Bild einer Serie oder der letzte Strich einer Zeichnung, die den Ton der gesamten Arbeit angibt. Mit diesem letzten Bild entlässt er den Betrachter aus dem Werk.
Robin Rhode zeichnet eine Kerze und versucht sie auszublasen; er malt ein Fahrrad und versucht es wegzuschieben; er setzt sich vor eine weiße Wand und spielt auf einem Schlagzeug, das er mit schwarzer Farbe auf diese Wand gemalt hat. Diese Verbindung von Zeichnung und Performance ist für ihn charakteristisch. Gleichzeitig fotografiert oder filmt er sich bei diesen Handlungen, frontal oder von oben. Seine Ausdrucksmittel sind damit neben Performances auch Fotoserien, Diaprojektionen, digitale Animationen und Filme.
Robin Rhode wurde 1976 in Kapstadt geboren. Er gehört zu einer Generation von "Post-Apartheid-Künstlern, die sich sehr schnell um sich selbst kümmerten, ohne auf die Zustimmung der vorigen Generation, der ihrer Lehrer, zu warten", wie es Thomas Boutoux formuliert hat. Nach dem Kunststudium am Witwatersrand Technikon in Johannesburg besuchte er die Filmhochschule. 1997 begann er, in seinen Werken mit Objekten zu interagieren, die er mit Kreide auf Wände oder Böden zeichnete. Die Performances waren zunächst - und sind es zum Teil noch heute - oft Aktionen aus dem Moment heraus. Inspirationsquelle und Aktionsraum ist die Straße; Robin Rhode ist 2002 nach Berlin umgezogen, aber nach wie vor inspirieren ihn hauptsächlich die Straßen von Johannesburg.
Ein zentrales Thema seiner Kunst ist das allgemein menschliche Wunschdenken. Am Anfang steht oft ein Wunsch. In Score zum Beispiel ist es der Wunsch, in einer Band zu spielen: Robin Rhode malt Trompete, Bass und Schlagzeug auf eine Wand; von einem Abspielgerät kommen Klänge und Melodien, und er "spielt" passend zu diesen Klängen auf dem jeweiligen Instrument. Indem er den vorgestellten Raum, der lediglich als Zeichnung existiert, wie Wirklichkeit behandelt, schafft er sich seine eigene Realität, an die auch der Betrachter zu glauben beginnt. Als Künstler nimmt er sein Schicksal selbst in die Hand und gibt ihm die entscheidende Wendung: "Sometimes if you have nothing, you actually have everything." (Robin Rhode)
In den vergangenen zwei Jahren hat Robin Rhode erstmalig Skulpturen geschaffen. Mit diesem Schritt wendet er sich nicht von seinen bisherigen Ausdrucksmitteln und der Flüchtigkeit von Performances ab; vielmehr kommt in der materiell erstarrten Form der Skulptur die gleiche spontane und dynamische Energie zum Ausdruck, die auch für seine Zeichnungen und Performances typisch ist. In Empties (Green) von 2007 wachsen die Hälse von Bierflaschen der Marke Black Label organisch aus einem Bierkasten in die Höhe. Das Zeichnerische bleibt durch die linienhaften Flaschenhälse erhalten, das Flüchtige durch den grafisch wirkenden Schatten an Boden und Wand.
Eine ebenfalls 2007 entstandene Skulptur zeigt ein grünes Fahrrad aus Seife, daneben einen Blecheimer mit Wasser - wenn man das Fahrrad putzt, wird es sich in Lauge auflösen. Bei Chalk and Charcoal Shells gießt er Kohle und Kreide in die Form von Abalonemuscheln und malt mit diesen Muscheln direkt auf die Wand, bis sie zerbrechen oder aufgebraucht sind. Selbst eine Skulptur ist also vom Verschwinden bedroht oder geht in der Zeichnung auf.
Die Ausstellung im Haus der Kunst ist die erste umfangreiche monografische in einer europäischen Institution. Ausgangspunkt ist das Nachdenken über Zeichnung im umfassenden Sinn. Gezeigt werden Zeichnungen, Fotografien, Animationen, Filmprojekte, Diaprojektionen und Skulpturen. Der Schwerpunkt liegt auf der jüngsten Entwicklung, jedoch wird auch der Weg dahin sowie die Ursprünge deutlich: Die Linienführung von Robin Rhode wurde mit den Jahren expressiver; seine Themen, früher von der Streetculture geprägt, haben heute eine Nähe zur Poesie und Abstraktion; die Farben beschränken sich nun häufig auf Schwarz-Weiß.
Im mittleren Raum, dem Herz der Ausstellung, wird Robin Rhode eine Wandzeichnung produzieren und gemeinsam mit dem Tänzer Jean-Baptiste André und dem Komponist Thomas Larcher eine Performance erarbeiten: 88 Schuhe aus schwarzer Kohle und weißer Kreide werden wie die Tasten eines Klaviers angeordnet. Jean-Baptiste André wird diese Schuhe anziehen. Seine mit Robin Rhode erarbeitete Choreografie reagiert auf die Percussionmusik, so dass eine Zeichnung entsteht. Mit dieser Performance eröffnet die Ausstellung am Samstag, den 15. September um 19 Uhr.
Der Katalog erscheint bei Hatje Cantz, "Robin Rhode. Walk Off", hrsg. von Stephanie Rosenthal; Texte von Thomas Boutoux, André Lepecki, Stephanie Rosenthal; 184 S., ca. 550 farbige Abb., EUR 39,80, ISBN 978-3-7757-2005-2.
Robin Rhode. Walk Off
16. September 07 bis 06. Januar 08