Vorschau auf das 66. Filmfestival von San Sebastian

Mit neuen Filmen unter anderem von Claire Denis, Naomi Kawase, Brillante Mendoza und Markus Schleinzer liest sich das Line-up für den Wettbewerb des 66. Filmfestivals von San Sebastian/Donostia (21.9. – 29.9. 2018) vielversprechend. Schwerpunkte widmen sich wie gewohnt dem aktuellen spanischen und lateinamerikanischen Kino, Festival-Highlights des Jahres werden in der Sektion "Pearls" präsentiert und die Retrospektive ist der 1991 verstorbenen britischen Drehbuchautorin und Regisseurin Muriel Box gewidmet.

Eröffnet wird das Festival mit "El amor menos pensado", in dem der Argentinier Juan Vera von einem Paar erzählt, das nach 25 Ehejahren über seine Beziehung, die Liebe, Treue und Sehnsucht zu reflektieren beginnt. Zu Veras Konkurrenten im Wettbewerb um die Goldene Muschel zählen unter anderem der Philippino Brillante Mendoza, der in "Alpha, The Right to Kill" auf das harte Vorgehen der philippinischen Regierung gegen Drogenkriminelle blickt, und der Belgier Felix Van Groeningen, der in seinem englischsprachigen Debüt "Beautiful Boy" nach den Memoiren von David Streiff und dessen Sohn vom Kampf des Vaters gegen die Drogensucht des Sohnes erzählt.

Gespannt sein darf man auch auf die zweiten Spielfilme des Österreichers Markus Schleinzer und des Schweizers Simon Jacquemet. Schleinzer erzählt in "Angelo" die Geschichte eines Afrikaners, der im 18. Jahrhundert als Zehnjähriger nach Europa gebracht und europäisiert wurde. Im Gegensatz zu diesem historischen Film erzählt Jacquemet in "Die Unschuldige" von einer verheirateten Tierärztin, die in eine Krise stürzt, als sie einen Mann sieht, den sie vor langer Zeit liebte.

Eigenwilliges Kino darf man aber auch vom Briten Peter Strickland erwarten, der in seinem Horrorfilm "In Fabric" dem Weg eines verfluchten Kleides von einer Person zur nächsten folgt. Die Realverfilmung des Animé "Jin Roh: The Wolf Brigade" steuert dagegen der Koreaner Kim Jee-woon mit "Illang: The Wolf Brigade" bei, in dem die titelgebende Spezialeinheit der Polizei eine Terrorgruppe bekämpft.

Mit fünf Regisseurinnen ist der Anteil der Frauen im Wettbewerb im Vergleich zu anderen A-Festivals relativ hoch. Mit Claire Denis, die ihren Science-Fiction-Film "High Life" präsentiert, der Japanerin Naomi Kawase ("Vision") und der Spanierin Iciar Bollain, die in "Yuli" die Geschichte des kubanischen Tänzers Carlos Acosta erzählt, wurden drei renommierte Regisseurinnen eingeladen.

Dazu kommen die norwegische Schauspielerin Tuva Novotny, die in ihrem Kinofilmdebüt "Blind Spot" die Beziehung einer Mutter zu ihrer Teenager-Tochter erkundet, sowie die Chilenin Valeria Sarmiento, die in ihrem im 18. Jahrhundert spielenden Film "Le cahier noir" von einem Waisen und dessen Kindermädchen erzählt.

Gewohnt stark vertreten ist das spanische Kino. Rodrigo Sorogoyens "El Reino", in dem es um einen Politiker geht, dessen Leben durch die Aufdeckung eines Korruptionsaffäre erschüttert wird, konkurriert ebenso um die begehrten Muscheln wie Isaki Lacuestas "Entre dos aguas", in dessen Zentrum zwei Roma-Brüder stehen, und Carlos Vermuts "Quién te cantará".

Gut für Entdeckungen ist die Programmschiene "New Directors", in der unter anderem der Schweizer Hannes Baumgartner sein auf einer wahren Geschichte beruhendes Regiedebüt "Der Läufer" zeigt. Für Entdeckungen bieten sich aber auch die Reihen "Horizontes Latinos", in der unter anderem Carlos Reygadas´ "Nuestro Tiempo" gezeigt wird, und "Made in Spain" an.

Wer auf Nummer sicher gehen will, wird den Schwerpunkt auf die "Pearls" legen. Cannes-Hits wie Pawel Pawlikowskis "Cold War", Nadine Labakis "Capernaum" oder Kirill Serebrenikovs "Leto" werden hier ebenso präsentiert wie die neuen soeben in Venedig uraufgeführten Filme von Alfonso Cuáron ("Roma"), Damien Chazelle ("First Man") oder Bradley Cooper ("A Star Is Born").

Neben den offiziellen Preisen im Wettbewerb und Ehrenpreisen an Judi Dench und Danny De Vito wird im Rahmen des Festivals auch der FIPRESCI-Preis für den besten Film des Jahres an Paul Thomas Andersons "Phantom Thread" vergeben. Anderson erhält damit nach "Magnolia" (2000) und "There Will Be Blood" (2008) zum dritten Mal diesen durch Abstimmung unter den internationalen Filmkritikern ermittelten Preis.

Gespannt sein darf man aber auch auf die Retrospektive, die der nur wenig bekannten britischen Drehbuchautorin und Regisseurin Muriel Box (1905–1991) gewidmet ist. Ab 1949 führte sie 15 Mal Regie und zeichnet für 24 Drehbücher verantwortlich. Box erhielt auch als erste Frau einen Oscar für das beste Originaldrehbuch (1947 für "The Seventh Veil").