Vorarlberg Museum: Otto Ender. Landeshauptmann, Bundeskanzler und Putschist?

vom 6. Oktober bis 18. November 2018

Otto Ender - ein Vorarlberger Landeshauptmann als Putschist? Kann das sein? Zweifellos hatte er große politische Erfolge vorzuweisen: Er ermöglichte den Ausbau der Vorarlberger Elektrizitätswirtschaft, hielt in der schwierigen Nachkriegszeit die Arbeitslosigkeit niedrig und erreichte ein ausgeglichenes Landesbudget. Kurzzeitig war er sogar Bundeskanzler (1930/31), der bislang einzige aus Vorarlberg. Als Bundesminister der Regierung Dollfuß 1933 und 1934 beteiligte er sich allerdings an der Zerstörung der Demokratie und konzipierte eine autoritäre Verfassung, die am 1. Mai 1934 veröffentlicht wurde. Was folgte, waren Ständestaat und Austrofaschismus. Otto Enders Mitwirken erscheint widersprüchlich, hatte er doch den Ruf eines großen Demokraten und Republikaners. Die Ausstellung erinnert anlässlich seiner Angelobung als Vorarlberger Landeshauptmann vor 100 Jahren an den umstrittenen und vielleicht deshalb weithin vergessenen Politiker.

Ender - ein Landeshauptmann vor 100 Jahren

Vor 100 Jahren, am 3. November 1918, wurde Otto Ender als Landeshauptmann von Vorarlberg vereidigt, in derselben Sitzung, in der auch das Land Vorarlberg auf Verwaltungsebene von Tirol unabhängig erklärt wurde. Diese Ereignisse sind Grund genug, Otto Ender eine Ausstellung zu widmen. In den Jahren nach seiner Angelobung etablierte er sich zum bedeutendsten Politiker Vorarlbergs des 20. Jahrhunderts. Er war Landeshauptmann (1918-1930, 1931-1934) und der einzige aus Vorarlberg stammende Bundeskanzler (1930-1931). Trotz seiner beachtlichen politischen Leistungen man kann mit Fug und Recht behaupten, dass Ender in der Öffentlichkeit weitgehend vergessen wurde. Er gilt heute auf Grund seiner Verbindung mit dem Austrofaschismus als umstritten. 1933-1934 war Ender Teil jener Regierung von Engelbert Dollfuß, die 1933 die österreichische Demokratie zerstörte. Gewaltsam wurden in dieser Zeit sowohl der Nationalrat als auch der Verfassungsgerichtshof ausgeschaltet und eine Einheitspartei, die Vaterländische Front, gegründet. Ender kam dabei die Aufgabe zu, eine berufsständische, autoritäre Verfassung auszuarbeiten. Am 1. Mai 1934 wurde sie veröffentlicht. Bald darauf trat Ender als Minister zurück und wurde Präsident des Rechnungshofes.

Ender - ein Putschist?

Vor dem Hintergrund seiner Regierungsbeteiligung unter Dollfuß ist es nachzuvollziehen, dass Ender 1949 vom sozialdemokratischen Vizekanzler Adolf Schärf beschuldigt wurde, in die Putschplanungen von Engelbert Dollfuß eingeweiht gewesen zu sein. Das wiederum wurde von Ender bestritten. Es gibt jedoch hinreichend Belege dafür, dass Ender mit den Absichten von Dollfuß nicht nur einverstanden war, sondern sie auch mit Rat und Tat unterstützte. Diese Haltung war einer großen persönlichen Enttäuschung über die Demokratie geschuldet, genauer, der Enttäuschung darüber, dass die hetzerische von Propagandalügen getragene Politik des Nationalsozialismus auch in Österreich höchst erfolgreich war. Das führte ihn zur Überzeugung, dass das Volk für die parlamentarische Demokratie noch nicht reif sei.

Bewusste Verbannung aus der Erinnerungskultur?

Warum kam es schlussendlich zur Verbannung Otto Enders aus der öffentlichen Erinnerung? Die Tatsache, dass Otto Ender, der sich zuvor einen großen Ruf als Demokrat erworben hatte, an der Zerstörung der Demokratie und der Etablierung des autoritären Ständestaates beteiligt war, führte nach seinem Tod im Jahr 1960 zur Verdrängung der Erinnerung an ihn. Als historische Figur war er zu umstritten, um als Geschichtsikone zu taugen. Man konnte ihn nicht wie den ehemaligen Vizekanzler Jodok Fink als Identifikationsfigur einsetzen, der als „Bauer und Staatsmann“ eine brauchbare Projektionsfläche abgab. Im öffentlichen Raum erinnert kaum etwas an den einst bedeutendsten Vorarlberger Politiker im 20. Jahrhundert. Nur im Gebäude der Landesregierung hängen normalerweise zwei Ender-Porträts, die nun in der Ausstellung im vorarlberg museum für einige Wochen zu sehen sind. Selbst die Otto-Ender-Studienstiftung, deren Umbenennung die Grünen 2009 noch ebenso vehement wie erfolglos gefordert haben, ist mittlerweile ohne großes Aufsehen aufgelöst worden.

Zur Ausstellung im vorarlberg museum

Trotz, oder gerade aufgrund seiner widersprüchlichen Persönlichkeit und Politik ist es wichtig, dass man an Otto Ender erinnert. Die Ausstellung des vorarlberg museums gibt Einblicke in das Leben und Wirken des Politikers. Sie präsentiert Otto-Ender-Porträts von Alois Mennel (1929), Erich Hochschartner (1935), Sergius Pauser (1944) und Leopold Fetz (1951), drei Zeichnungen von Bartle Kleber aus den Jahren 1924 und 1925, zwei Porträtköpfe von Franz Plunder (1932) und Emil Gehrer (1964), das Gästebuch der Familie Ender (1929-1956), zwei Dollfuß-Reliefs (1935) und einige interessante Autographen, darunter die Notizbücher des Politikers. Ein wichtiges Element der Ausstellung, die von Christiane Fiegl graphisch gestaltet wurde, sind Zitate Otto Enders aus Briefen und Reden, die den geistigen Horizont des einstmals prominenten Politikers erahnen lassen. Zur Ausstellung erscheint ein Buch des Kurators Peter Melichar.

Buchpräsentation: Di, 16. Oktober, 19.00 Uhr
Peter Melichar: Otto Ender (1875-1960). Untersuchungen zum Innenleben eines Politikers (Böhlau-Verlag)

Kuratorenführungen mit Peter Melichar, Historiker vorarlberg museum: 6. Oktober, 22.30 Uhr (Lange Nacht) und 8. November, 15.00 Uhr