Von realer Gegenwart

Am Burgplatz 12 in der Düsseldorfer Altstadt hatte der belgische Künstler Marcel Broodthaers von1970 bis 1972 sein Atelier. Während dieser Zeit arbeitete er an der "Section Cinéma" seines wegweisenden Projekts "Musée des Aigles". Jürgen Harten hat Broodthaers in der Kunsthalle Düsseldorf verschiedentlich die Möglichkeit gegeben, Projekte zu verwirklichen, etwa im Rahmen von "Prospect" 1968 und 1971. Broodthaers legendäre Ausstellung "Section des Figures. Der Adler vom Oligozän bis heute" war 1971 in der Kunsthalle zu sehen, die "Section Cinéma" des "Musée des Aigles" wurde 1971 in seinem Atelier am Burgplatz vorgestellt. 1997 zeigte die Kunsthalle posthum die Ausstellung "Cinéma", die Broodthaers’ filmisches Werk ins Zentrum rückte.

Schon zu Lebzeiten einer der einflussreichsten Künstler seiner Generation, wird Marcel Broodthaers auch von zeitgenössischen Künstlern produktiv rezipiert. Die ungebrochene Aktualität seines Werkes macht dieses zur Referenz zahlreicher Arbeiten, die sich mit seiner Bildtheorie und den Themen seines OEuvres beschäftigen. Insbesondere das filmische Werk von Marcel Broodthaers zählt heute, in seiner Auseinandersetzung mit Imagination und Schein als Demontage des Kinobildes, zu einem wichtigen Ausgangspunkt für zeitgenössische künstlerische Filme. Auch Überlegungen, die viel später unter dem Thema der Institutionskritik verhandelt wurden, finden sich in Broodthaers’ Werk, das in seiner radikalen wie wegweisenden, aber auch poetischen Qualität erst heute richtig wahrgenommen wird.

Die gemeinsam in der Kunsthalle Düsseldorf und dem programmatisch der jüngeren Gegenwartskunst verpflichteten Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen gezeigte Schau stellt ausgewählte Werke von Marcel Broodthaers in einen Dialog mit neueren Arbeiten international renommierter Künstlerinnen und Künstler wie Tacita Dean, Cerith Wyn Evans, Olivier Foulon, Andreas Hofer, Henrik Olesen, Kirsten Pieroth, Stephen Prina, Joëlle Tuerlinckx und Susanne Winterling, die sich direkt auf sein OEuvre beziehen. Nicht die lose Anknüpfung an bestimmte Motive steht im Vordergrund, sondern die oft als Hommage zu verstehende Fortschreibung jener Ideen und Fragestellungen, die Broodthaers’ Werk noch heute lebendig aktuell erscheinen lassen.

Im Sinne des Themas der diesjährigen Quadriennale, "kunstgegenwärtig", vermittelt sich Zeitgenossenschaft dabei als Genealogie der Gegenwart – in einer Kunst, die sich in ihren expliziten Referenzen zu historischen Vorbildern bekennt und diesen ganz unterschiedliche neue Aspekte abgewinnt.

Von realer Gegenwart
Marcel Broodthaers und heute
11. September 2010 bis 16. Januar 2011