Von Neuer Sachlichkeit zum Film noir: Robert Siodmak

20. Juli 2009 Walter Gasperi
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Das längste Gewitter der Filmgeschichte, den farbenprächtigsten und ironischsten Piratenfilm, aber auch den fast dokumentarischen "Menschen am Sonntag" verdankt das Kino dem am 8. August 1900 in Dresden geborenen und am 10. März 1973 in Locarno gestorbenen Robert Siodmak.

Eine stumme junge Frau muss befürchten das nächste Opfer eines pathologischen Mörders zu werden. – Aus dieser Ausgangssituation entwickelte Robert Siodmak 1946 in "The Spiral Staircase" einen perfekten Thriller, in dem er mit dem Spiel von Licht und Schatten, schlürfenden Schritten, gegen die Fenster peitschendem Regen und natürlich Donnergrollen über 90 Minuten eine Atmosphäre der Bedrohung erzeugte.

Neben dem federleichten, bunten und verspielten Piratenfilm "The Crimson Pirate" (1952) mit einem lustvoll aufspielenden Burt Lancaster in der Hauptrolle ist "The Spiral Staircase" wohl Siodmaks berühmtester Film, doch sein eigentliches Genre war wie bei vielen deutschen Emigranten der Film noir.

Ganz anders waren freilich seine filmischen Anfänge, zeichnet Siodmak doch zusammen mit Edgar G. Ulmer, Billy Wilder, Eugen Schüfftan und Fred Zinneman für den semidokumentarischen "Menschen am Sonntag" (1929) verantwortlich, in dem die Handlung gegenüber der dokumentarischen Alltagsbeobachtung in den Hintergrund trat. Nach einem Angriff auf das Justizsystem in "Voruntersuchung" (1931), dem Hans-Albers-Film "Quick" (1932) und der Stefan Zweig-Verfilmung "Brennendes Geheimnis" (1932) emigrierte der Sohn eines polnisch-jüdischen Kaufmanns zunächst nach Frankreich. Mit Filmen wie "Weiße Fracht für Rio" (1938), "Mollenard" (1937) sowie "Der Fallensteller" (1939) entwickelte er sich dabei schon in Richtung "Film noir" und schaffte sich einen Namen. Im Gegensatz zu anderen deutschen Emigranten, die Frankreich nur als Zwischenstation auf dem Weg nach Hollywood ansahen, wollte er bleiben, verließ dann aber aufgrund der politischen Spannungen 1938 Europa doch in Richtung USA.

In Hollywood musste Siodmak wieder mit B-Filmen anfangen, wobei er sich gleich mit "Son of Dracula" (1943) als ein Meister des Atmosphärischen erwies. "Phantom Lady – Zeuge gesucht" (1943) und "The Dark Mirror" (1946) zeigten ebenso wie "The Spiral Staircase" (1946) Siodmaks starkes Interesse an weiblichen Charakteren. So sind es in "Phantom Lady" eine hartnäckige Sekretärin und in "The Spiral Staircase" die stumme junge Frau, die psychopathische Mörder, die sich hinter einer bürgerlichen Fassade verbergen, enttarnen, während krankhafte weibliche Eifersucht Triebfeder des Handelns in "The Dark Mirror" und "The Strange Affair of Uncle Harry" (1945) ist.

Getrieben sind die Figuren Siodmaks von Obsessionen - das gilt auch für den von Gregory Peck gespielten Protagonisten der Dostojewski-Verfilmung "The Great Sinner – Der Spieler" (1948) – und gefangen sind sie in einem Netz, aus dem es kein Entkommen gibt. Scheinbar gleichgültig wartet so Burt Lancaster in der Hemingway-Adaption "The Killers – Rächer der Unterwelt" (1946) auf seine Mörder, nur Verlieren kann der Fahrer eines Geldtransports in "Criss Cross – Gewagtes Alibi" (1949) mit seiner Einwilligung in einen Raubüberfall.

Mit dem Niedergang des Film noir sank auch Siodmaks Stern und er kehrte 1952 nach Europa zurück. In der trostlosen deutschen Nachkriegsproduktion ragen seine Gerhart Hauptmann-Verfilmung "Die Ratten" (1955), vor allem aber sein deutliche Einflüsse vom Film noir aufweisender Krimi "Nacht, wenn der Teufel kam" (1957), in dem wiederum ein von seinen Obsessionen getriebener Mörder (grandios: Mario Adorf) im Mittelpunkt stand, heraus.

Wenig Freiraum hatte er dagegen bei seinen drei Karl-May-Verfilmungen ("Der Schut", 1964; "Der Schatz der Azteken", 1965; "Die Pyramiden des Sonnengottes", 1965) und der zweiteiligen Großproduktion "Kampf um Rom" (1968).