Versuche über die Stadt Hohenems

11. Juni 2008
Bildteil

Vor 25 Jahren wurde die Marktgemeinde Hohenems zur Stadt erhoben. Aus diesem Anlass lud sie vier Kunstschaffende ein, künstlerische Reflexionen über dieses Stadt-Sein anzustellen. Die Ergebnis von Mariella Scherling-Elia, Dietmar Fend, Lothar Märk und Peter Mathis sind noch bis 11. Juni im Hohenemser Palast zu besichtigen.

Dietmar Fend ist in dieser Ausstellung mit grossen malerischen Gesten zugegen und setzt mit drei grossformatigen Arbeiten, nebst einigen Kleinformaten, ein markantes Zeichen. Nachdem Fend, der 1949 in Hohenems zur Welt kam, über mehrere Jahre hinweg aus der Öffentlichkeit abgetaucht ist und sich dem Kunstmarkt quasi verweigert hat, ist er jetzt offensichtlich wieder voll da und in seinem Element. In einem monumentalen Hochformat ist auf einem der Werke eine ins Wasser tauchende Figur in jenem Moment im Bild fixiert, als die Bläschenbildung gerade am stärksten ist. Vom Taucher sind nur die Arme klar erkennbar, der Rest der dargestellten Person verschwindet in der Explosion der Bläschen. Die Oberfläche des Bildes ist mit Hilfe von Acryl-Noppen grob und taktil gerastert. Die malerische Basis des Werkes bildet ein Kreidegrund über den die Ölfarbe in dünnen Schichten aufgetragen ist.

Ein anderes Grossformat zeigt den Tänzer Ismail Ivo bei einer "Bewegungsskulptur". Fend hat Ivo im Bregenzer Festspielhaus bei einer "Francis-Bacon"-Performance gesehen. Auch bei der Visualisierung durch Fend denkt man unweigerlich an Bacon. Die Figur, die von dynamischer Bewegung zeugt, scheint durch geometrische Frames "domestiziert" zu ein. Der Tänzer wird durch seine Umrisse definiert. Der Künstler fertigt quasi eine Maske an, mit der die Figur zunächst ausgespart und dann mit grossen Gesten zugemalt wird. Der Hinter- und Seitengrund des Bildes wird mit Marmorsand reliefartig strukturiert. Die Leinwand ist vollflächig mit roter Farbe unterlegt. Teile sind mit preussisch Blau übermalt was in der Umsetzung dann Schwarz ergibt. Diese Figurationen sind Bewegung im Raum pur. Sie sind kompakt, dicht und dennoch dynamisch. Sie sind in geometrische Raster eingebunden und strotzen dennoch vor lauter Lebendigkeit. Sie scheinen regelrecht bersten zu wollen.

Wie der Künstler sagt, ist das Grossformat eine grosse Herausforderung, um voll aus sich heraus zu gehen. Die Bilder erinnern in ihren grossen Gesten an die Alten Meister etwa vom Schlage eines Tintoretto, an die der Künstler bewusst anknüpft. Der Umgang mit der Farbe und der Prozess des Malens steht dabei über allem. Auch bei den zwei Ansichten des Emser Berges, die in der Mitte durch einen abstrakten Bildstreifen zusammengehalten werden. Fend hat sich früher nach aussen hin als abstrakter Maler gegeben. Im Hintergrund hat aber die Figuration stets eine grosse Rolle gespielt. Jetzt stehen beide Stilarten parallel nebeneinander. Gerade an der Berglandschaft lässt sich die grosse Meisterschaft Fends ablesen. Auch wenn momentan die Figuration im Vordergrund zu stehen scheint, führt er die abstrakte Schiene in gleichem Atemzug und autonom weiter.

Bei den kleineren Formaten geht es Fend nicht zuletzt um die Erprobung von Material- und Farbexperimenten. Sand und Farben werden übereinandergeschichtet, durch lineare Auslassungen reliefartige Oberflächenstrukturen gebaut, durch das Prinzip der Abstossung von Öl und Wasser malerische Effekte gesetzt. Trotz ihres abstrakten Grundtons werden Assoziationen zu Landschaften sowie zu Blatt- und Baumstrukturen evident.

Auch wenn Lothar Märk in Altach wohnt, zählt er in Sachen Kunst quasi zum Hohenemser Urgestein. Märk ist werkstrategisch in vielen Techniken beheimatet. Dem Sgraffito ist er ebenso nahe wie der Radierung, dem Öl, der Mischtechnik und dem Aquarell. In früheren Jahren eng der gegenstandsgetreuen Wiedergabe von Motiven und Landschaften verhaftet, hat er sich in den vergangenen Jahren sukzessive davon befreit und in eine Art abstrakten Expressionismus hineingefunden, in dem sich die Motive fast vollständig in emotional geführten Farbgesten auflösen. Die in Hohenems gezeigten Arbeiten nehmen mit Titeln wie "Die Burg", "Umma Berg", oder "Milljöh" direkten Bezug auf die Stadt, mit der sich der Künstler schon seit 40 Jahren auseinandersetzt. Aber die Umsetzung dieser realen Benennungen vollzieht sich alles andere denn realistisch. Bei den Bildfindungen handelt es sich um gestische Farberruptionen, bei denen konkrete Elemente der Stadt erst auf den zweiten Blick im Hintergrund erkennbar sind.
Ins Auge stechen die Abstraktionen, die von emotionalen Farbgebärden geleitet sind. Der Kunsthistoriker Albert Ruetz beschreibt in einem Begleittext, der zu diesem Zyklus entstanden ist, die Werke Märks. Ein kurzer Auszug daraus, da in diesem Text die analytische Entwicklung eines konkreten Sachverhaltes in die bildliche Abstraktion anschaulich wird: "Aus "Burg" leuchtet der Feuerbrand der Kriege und des Zankes in grellem Rot und wird zum blutigen Mal. Das tiefe Blau in der Linie des Torbogens verweist in die Tiefe der Geschichte, in der die Ereignisse versunken sind. Nur da und dort leuchten sie aus diesem tausendjährigen Dunkel von Ereignissen und menschlichen Taten. Ähnliches gilt auch für "Naturems", in dessen Mittelpunkt der Schlossberg steht, umflossen von Rhein und Emsbach und wo die Natur, noch unbesiegt von den späteren Kunstgärten, sich wuchernd ausbreitet. Was die Menschen gebaut haben, hat sich gewandelt, ist verschwunden; immer geblieben und immer auch wieder durchgebrochen jedoch ist die Kraft der Natur, in welche Menschen ihr Wollen – ihre Stadt – hineingebaut haben.“

Zum Stadtjubiläum hat Märk auch eine Radierung entwickelt. Markante Gebäude der Stadt, der Schlossberg, der Steinbock als Wappentier der Emser Grafen verdichten sich hier zu einem Liniensystem, das in den gelb, blau und roten Grundfarben des Stadtwappens von Hohenems gehalten ist.

Peter Mathis verdient seine Euros zwar durch Sport- und Werbefotografie sowie aussergewöhnliche Bildreportagen wie etwa über das Free-Riding. Daneben fotografiert er, einem inneren Trieb folgend, aber stets auch für sich. Wie er sagt, ist er ein Sammler. Ein Sammler von Motiven, Stimmungen, Farben und Formen. Vornehmlich in der Natur. Wobei er aber nichts dem Zufall überlässt. Die Natur liefert den Bildgrund. In der Ausführung greift er gestaltend ein. Er sucht nach Linien, Zäsuren, Bruchstellen, anhand derer er einen Bildaufbau quasi konzipiert, bevor er auf den Auslöser drückt.

Im Palast wartet er mit drei Motivketten auf. Wasser respektive Eis, dann Holz sowie einer stimmungsvollen Gesamtaufnahme des Rheintals vom Gebhardsberg aus vor Einbruch der Nacht, anhand derer sich die geografische Einbettung der Stadt Hohenems nachvollziehen lässt. Während bei der Rheintalaufnahme die Lichtlinien dem Bild eine fast grafische Qualität verleihen, wirken die Baum- und Eisaufnahmen ungewöhnlich malerisch. Die Bilder könnten auch an einem anderen Ort der Erde gemacht worden sein. Aber sie sind tatsächlich ein Stück Hohenems. Sie zeigen die Stadt in ganz elementaren, faszinierenden Ausschnitten. Mathis hat den Naturgürtel der Stadt quasi zu Fuss abgetastet, gescannt und aus einem gefundenen Motivreservoir eine Auswahl getroffen, die zum kontemplativen Betrachten einlädt.

Wesentlich an den Arbeiten ist, dass sie auch ganz aus der Nähe betrachtet vollkommen scharf sind. Ausser den Partien, für die der Künstler bewusst Unschärfen eingerechnet hat. Bedingt etwa durch den Wind, der einzelne Bäume bewegt, oder bestimmte Hintergründe, die sich wie gemalte Farbflächen verhalten. Manch Abgebildetes, etwa die Eiszäpfen, strahlen beinahe dreidimensionale Eindrücke ab und erinnern damit quasi an skulpturale Formen. Die technische Umsetzung, Tintenstrahldruck auf Büttenpapier, verdichtet die lyrischen Grundtöne zusätzlich.

Mit installativer Direktheit nähert sich die im kalabrischen Aprigliano geborene, aber seit Jahrzehnten in Hohenems lebende und arbeitende Künstlerin Mariella Scherling-Elia dem Thema "Stadt". Die Künstlerin ist bekannt dafür, dass sie ihre Werke immer wieder mit aktuellen Ereignissen, Identitätsproblematiken oder mit Verständigungsthemen wie etwa Sprache und Sprachbilder verschränkt. In den letzten Jahren sind installativ angelegte Zyklen bei ihr immer wichtiger geworden. Das zeigt sich auch hier. Den Ausgangspunkt ihrer Arbeit für diese Ausstellung stellt ein Stein dar, der aus der Burgruine Alt’Ems stammt. Der Hohenemser Kulturamtsleiter Martin Hölblinger hat den 30 Kilo schweren Brocken auf dem Rücken von der Burg heruntergeschleppt.

Auf dem Podest isoliert, geschützt durch ein glockenartig darübergestülptes Gitter, stellt dieser Stein gleichsam ein Symbol dar, das die gesamte Geschichte der Stadt komprimiert in sich trägt. Könnte der Stein reden, würde er uns das gesamte Jubiläumsjahr hindurch mit Geschichten versorgen. Die übergestülpte Gitterblase steht für das Bewahren. Das Bewahren, der durch den Stein repräsentierten historischen und kulturellen Vergangenheit. Eine Vergangenheit, die aber sehr wohl hinterfragt und an der Gegenwart gemessen werden darf.

Auf der konkaven Holzwand, die das Gesteinspodest halbkreisförmig umschliesst, hat die Künstlerin nebst einem Plakat, das vor 25 Jahren zur Zeit der Stadterhebung gemacht wurde, die einzelnen Seiten einer Sonderbeilage, die die Neue seinerzeit anlässlich der Stadterhebung gemacht hat, vergrössert und aufkaschiert. Die Schlagzeile damals lautete: "Hohenems ist Stadt". Scherling-Elia will mit möglichst einfachen Mitteln die Zeichen erkunden, die gesetzt wurden, damit ein Ort zu einer Stadt werden kann. Sie will Vergangenes ausloten, sichtbar machen und in Bezug zum Jetzt und Heute setzen. Letztlich geht es um das Nachdenken. Um das Nachdenken, über das, was eine Stadt ist, was sie ausmacht und wohin sie in Zukunft driften wird. Zusammengehalten von der Archaik des Steines, die alles überdauert....

25 Jahre Stadt Hohenems
Dietma Fend, Lothar Märk, Peter Märk, Mariella Scherling-Elia
Bis 11. Juni 2008
Mi-Fr 16-20
Sa/So 10-18