Venedig 2018: Starpower und markante Autorenfilmer

Nicht gekleckert, sondern geklotzt wird beim 75. Filmfestival von Venedig (29.8. – 8.9. 2018). Die USA ziehen mit stargespickten Produktionen zwar die Aufmerksamkeit auf sich, aber unter anderem mit Mike Leigh, Alfonso Cuarón, Yorgos Lanthimos oder Carlos Reygadas ist auch der internationale Autorenfilm stark vertreten. – In den Schatten gestellt werden könnte der Wettbewerb um den Goldenen Löwen dennoch von der Uraufführung von Orson Welles´ "The Other Side of the Wind", der seit rund 40 Jahren abgedreht, aber unvollendet in Archiven lag.

Zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren wird Damien Chazelle die Ehre zuteil das altehrwürdige Filmfestival von Venedig zu eröffnen. Nach seinem fulminanten Musical "La La Land" schickt er nun in "First Man" Ryan Gosling als Neil Armstrong auf den Mond und ins Rennen um den Goldenen Löwen, der von einer Jury, die vom mexikanischen Regisseur Guillermo del Toro geleitet wird, vergeben wird. Stark ist freilich zumindest von den Namen her die 21 Filme umfassende Konkurrenz, unbekannte Namen finden sich kaum im Line-up, Starregisseure dagegen jede Menge.

Die USA geben dabei den Ton an, sind aber abgesehen von "First Man" und Bradley Coopers vierter Verfilmung von "A Star is Born", die außer Konkurrenz läuft, kaum mit großen Hollywood-Produktionen präsent, sondern mit Filmen, die die Zuschauer eher fordern dürften. Die Coen-Brüder, die aus der geplanten Mini-Serie "The Ballad of Buster Scruggs" nun doch einen Spielfilm machten, sind zwar Garanten für hinreißende Unterhaltung, aber Yorgos Lanthimos, dessen Period-Piece "The Favourite" im Löwen-Rennen startet, ist schon eher bekannt dafür, das Publikum zu verstören.

Problematisch sind in einer globalisierten Welt und einer Zeit internationaler Koproduktionen sowieso die nationalen Zuordnungen. Und so wird der Brite Mike Leigh, der in seinem ebenfalls teilweise von den USA produzierten Historienfilm "Peterloo" ein Massaker an friedlichen Demonstranten in Manchester 1819 aufarbeitet ebenso doch nur seinen unverwechselbaren Film machen wie Julian Schnabel, der in seinem ebenfalls als US-Koproduktion angekündigten "At Eternity´s Gate" vom Leben Vincent van Goghs erzählt.

Eines bringt die US-Beteiligung jedenfalls an den Lido: Star-Power en masse. Willem Dafoe, Oscar Isaac und Mads Mikkelsen spielen die Hauptrollen in "At Eternity´s Gate", Rachel Weisz und Emma Stone in "The Favourite", Tim Blake Nelson, Brendan Gleeson und James Franco in "The Ballad of Buster Scruggs" und Lady Gaga gibt in "A Star is Born" ihr Kinodebüt.

Mit Spannung erwartet wird Alfonso Cuarons auf 70mm und in Schwarzweiß gedrehtes autobiographisch geprägtes Drama "Roma", das im Mexico City der 1970er Jahre spielt, aber auch sein Landsmann Carlos Reygadas könnte mit seinem Langzeitprojekt "Nuestro Tiempo" ganz große Filmkunst präsentieren.

Dass Venedig-Direktor Alberto Barbera aus dem Vollen schöpfen kann, liegt freilich auch daran, dass am Lido im Gegensatz zu Cannes Netflix-Produktionen wie "Roma", "The Ballad of Buster Scruggs" oder auch Paul Greengrass´ "22 July", in dem der Action-Spezialist das Massaker auf der norwegischen Ferieninsel Utoya im Sommer 2011 aufarbeitet, auch in den Wettbewerb eingeladen werden.

Auffallend ist auch, dass trotz der starken Präsenz von Autorenfilmern, zu denen auch Olivier Assayas mit "Doubles vies" oder der Ungar Laszlo Nemes mit "Sunset" zählen, auch das Genrekino im Wettbewerb nicht zu kurz zu kommen scheint. So wurde Jacques Audiard mit dem Western "The Sisters Brothers" – der ersten englischsprachigen Produktion des Franzosen – ebenso eingeladen wie der Italiener Luca Guadagnino mit dem Remake des Horror-Klassikers "Suspiria" und auch die Australierin Jennifer Kent soll laut Pressemeldungen ihrem brillanten Horrorfilm "The Babadook" mit "The Nightingale" einen Gothic-Thriller folgen lassen.

Gespannt sein darf man auch was "Das Leben der Anderen"-Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck mit "Werk ohne Autor" gelingt, den der Oscar-Preisträger nach seinem missglückten Hollywood-Abenteuer "The Tourist" wieder auf Deutsch gedreht hat und in dem es wieder um deutsche Geschichte geht.

Renommierte Namen finden sich aber auch außerhalb des Wettbewerbs mit dem Israeli Amos Gitai ("A Tramway in Jerusalem"), dem Argentinier Pablo Trapero ("La Quietud") und dem Chinesen Zhang Yimou ("Shadow") sowie bei den Dokumentarfilmern mit Sergei Loznitsa ("Process"), Frederick Wiseman ("Monrovia, Indiana") und Errol Morris ("American Dharma").

Ein Großereignis wird aber sicher auch die Uraufführung von Orson Welles´ unvollendetem "The Other Side of the Wind" werden. Schon zwischen 1970 und 1976 wurde der Film zwar gedreht, aber nie fertiggestellt. Erst als Netflix 2017 die weltweiten Rechte am Film erwarb, begann die Sichtung und Bearbeitung des umfangreichen Materials, wobei sich Peter Bogdanovich und Frank Marshall an den persönlichen Notizen des 1985 verstorbenen Regie-Giganten orientierten.