Unterdrückte Frauen: Der japanische Meisterregisseur Kenji Mizoguchi

Zusammen mit Akira Kurosawa und Yasujiro Ozu bildete Kenji Mizoguchi in den 1950er Jahren das Dreigestirn des japanischen Kinos. 88 Filme drehte er bis zu seinem Tod im Jahre 1956, nur 36 davon sind erhalten. Das Österreichische Filmmuseum widmet dem Meisterregisseur derzeit eine Retrospektive.

Als prägend für das filmische Werk von Kenji Mizoguchi gilt seine Kindheit. Am 16. Mai 1898 in ärmliche Verhältnisse hineingeboren, musste er miterleben, wie seine ältere Schwester als Geisha verkauft und seine Mutter misshandelt wurde. Diese Erfahrungen gelten als Wurzel für die wiederkehrende Thematisierung der Unterdrückung und Ausbeutung der Frau in Mizoguchis Filmen.

Zur siebten Kunst kam er allerdings eher zufällig. Zunächst studierte er Malerei, wurde dann um 1920 Filmschauspieler und konnte schon 1922 seine erste eigene Regie übernehmen. Von seinen 63 vor dem Zweiten Weltkrieg entstandenen Filmen sind 52 verloren gegangen. Drehte er in dieser Zeit zunächst eine Reihe linksgerichteter Propagandafilme, so kristallisierte sich ab "Die weißen Fäden des Wasserfalls" (1933) die Auseinandersetzung mit der Unterdrückung der Frau als sein großes Thema heraus.

Umstritten sind die Filme, die Mizoguchi während des Zweiten Weltkriegs drehte und gelten mit Ausnahme von "Die 47 Samurai" (1941), in dem es um Selbstmord aus Ehrgefühl geht, als teilweise stark nationalistisch. Sein internationaler Ruhm gründet ganz auf den Filmen der Nachkriegszeit, in denen sich Mizoguchi nachdrücklich auf die Seite der Demokratisierung stellte.

Während er so in "Das makellose Schwert" (1945) noch Loyalität gegenüber dem Kaiser propagierte, steht schon in seinem nächsten Film "Der Sieg der Frauen" (1946) eine junge Rechtsanwältin im Mittelpunkt, die für eine humane Rechtsprechung kämpft. Die Männer, die den Frauen gegenüber stehen, agieren ausbeuterisch und brutal oder aber sind zu schwach, um die Frauen zu unterstützen. In vielen Filmen Mizoguchis finden sich Vergewaltigungsszenen, in denen die Macht und Brutalität der Männer ihren massivsten Ausdruck findet.

Dabei blickt Mizoguchi – von "Der Sieg der Frauen" abgesehen – selten auf die japanische Nachkriegszeit, sondern siedelt seine Filme ab "Utamaro und seine fünf Frauen" (1946) vorwiegend in der Vergangenheit an.

Seine großen Meisterwerke entstehen in den 1950er Jahren. In "Das Leben der Frau Oharu" (1952), der im Japan des 17. Jahrhundert spielt, erzählt Mizoguchi von einer Frau aus niederem Stand, die zunächst wegen einer unerlaubten Beziehung verstoßen, dann als Kurtisane verkauft wird und schließlich ein Leben als Prostituierte und Bettlerin fristet.

In der Gegenwart spielt dagegen "Zwei Geishas" (1953), mit dem Mizoguchi an den in den 1930er Jahren entstandenen "Die Schwestern von Gion" anknüpfte. Am Schicksal von zwei Geishas werden die kapitalistischen Strukturen des Nachkriegsjapan angeprangert, in denen die Unterdrückungsmechanismen nur noch subtiler geworden sind.

Im Mittelpunkt von "Ugetsu – Erzählungen unter dem Regenmond" (1953), der im 16. Jahrhundert während eines Bürgerkriegs spielt, stehen zwar zwei einfache Männer, die um reich beziehungsweise mächtig zu werden, ihr Dorf verlassen. Doch auch in dieser Geschichte einer erfolglosen Suche nach dem Glück fehlt der Blick auf das Leiden der Frauen nicht, denn in der Abwesenheit der Ehemänner, wird die Gattin des einen von Soldaten getötet, die des anderen vergewaltigt.

Wie alle Filme Mizoguchis kennzeichnet auch dieses Meisterwerk eine distanzierte Erzählweise. Er arbeitet vorwiegend mit Totalen und Halbtotalen, durch die er die Menschen in Landschaft und Architektur integriert, bevorzugt lange Einstellungen und gleitende Übergänge. Affekte wie Zorn und Wut, die sich angesichts der Tragödien beim Zuschauer aufbauen könnten, werden so gebremst, aber der Blick auf die Verhältnisse und das Leiden gewinnt gerade durch diese gleichmütige Erzählweise an Schärfe.

In dem im 11. Jahrhundert angesiedelten "Sansho Dayu – ein Leben ohne Freiheit" (1954) erzählt Mizoguchi wie schon in "Das Leben der Frau Oharu" von einer Frau, die alles verliert, als Kurtisane verkauft wird und ein Leben in der Gewalt anderer führen muss.

So mitfühlend der Blick dieses zarten Mannes auf die unterdrückten Frauen war, so despotisch soll er am Set regiert haben. Heftige Kämpfe führte er nicht nur mit den Studiobossen, sondern auch mit seinen Mitarbeitern und ein Requisiteur soll sogar gedroht haben, ihn zu ermorden. Krankheiten machten ihm zeitlebens zu schaffen, er litt unter einem schmerzhaften Rheumatismus und starb am 24. August 1956 im Alter von 58 Jahren an Leukämie.

Ausschnitt aus "Ugetsu"