Unheimliche Wirklichkeiten

Ihre Arbeiten irritieren und berühren den Betrachter. Werke der beiden amerikanischen Künstler Duane Hanson und Gregory Crewdson stehen im Mittelpunkt der Ausstellung im Museum Frieder Burda, die unter dem Titel "Unheimliche Wirklichkeiten" vom 27. November 2010 bis 6. März 2011 zu sehen ist. Beide beschäftigen sich mit Menschen, deren alltäglichem Leben, den Hoffnungen, Sehnsüchten und geplatzten Träumen. Menschen, die wir gewöhnlich übersehen, die gealtert und von der Wirklichkeit, dem Leben gezeichnet sind.

Während Hanson seine lebensgroßen Figuren mit viel Sympathie formt, verbreitet Crewdson auf seinen Bildern von einsamen Menschen in ihren Häusern, Gärten, auf Straßen eine eher düstere, bedrückende Stimmung. Die Ausstellung im Museum Frieder Burda präsentiert rund 30 Einzelfiguren von Duane Hanson im Dialog mit 20 großformatigen Arbeiten der Serie "Beneath the Roses" des Fotografen Gregory Crewdson.

Mit seinen naturgetreuen Skulpturen ist der Amerikaner Duane Hanson (1925 – 1996) ein Synonym für den zeitgenössischen Realismus in der Kunst geworden. Als Motive dienen ihm typische Durchschnittsmenschen, Hausfrauen, Kellnerinnen, Autoverkäufer, Hausmeister. Menschen, die das Leben nicht unbedingt verwöhnt hat. Haltung und Ausdruck der Figuren sind ganz nah an der Realität. Es gab Szenen, da sprachen Museumsbesucher eine Figur von Hanson an und entschuldigten sich bei dem dort sitzenden Touristen mit der Kamera, dass sie ihm ins Bild gelaufen seien.

Duane Hanson wurde am 17. Januar 1925 in Alexandria, Minnesota geboren. Er zählt zu den einflussreichsten Vertretern der amerikanischen Bildhauerei und gilt als Begründer des Hyperrealismus. Hanson studierte ab 1951 zunächst an der University of Minnesota, später an der Cranbrook Academy of Art in Bloomfield Hills, Michigan. Von 1953 bis 1960 lebte er in Deutschland, wo er in München als Kunstlehrer und in Bremerhaven als Bildhauer tätig war. Von dem deutschen Bildhauer George Gyro erhielt er den Anreiz für Materialien wie Polyesterharz und Fiberglas. 1961 kehrte Hanson in seine Heimat zurück, wo er mit seinen maßstabsgetreuen menschlichen Figuren begann.

Zu Beginn seiner künstlerischen Laufbahn widmete er sich politischen Themen und prangerte das soziale Elend an. Die Figuren mit ihren geschundenen, gealterten und oft unförmigen Körpern wirken extrem lebensecht. Um diesen Effekt zu erzielen, fertigte der Künstler Abgüsse von lebenden Modellen an, die er mit Kunststoff auffüllte. Manche Figuren fertigte er auch in Bronze an. Anschließend bearbeitete er seine Skulpturen mit Ölfarbe und Acrylspray. Er nähte Haare ein, malte blaue Flecken auf, modellierte Hautunebenheiten und wählte Kleidung sowie jedes Accessoire passgenau aus. In den 1970er Jahren verschob er den Schwerpunkt seiner Arbeit auf die Darstellung des amerikanischen Alltags, vom Bauarbeiter über Büroangestellte bis hin zu der fülligen Flohmarktverkäuferin.

Auch Crewdson rückt den Menschen ins Zentrum seiner geheimnisvollen Fotografien, allerdings versteckter. Während Hansons Figuren auf eine nette Weise berühren, lösen Crewdsons Bilder Unbehagen aus. Bei Crewdson sind die verträumten Menschen eingeschlossen in ihren Räumen, verloren auf Straßen oder einsam in Cafés sitzend. Man spürt beim Betrachten dieser Bilder, dass es hinter den Fassaden bröckelt. Auch in ihren Gesichtern zeichnen sich die Spuren des Lebens ab, nicht so explizit wie bei Hanson, eher unterschwellig.

Der amerikanische Fotograf Gregory Crewdson, geboren am 26. September 1962 in New York Brooklyn, inszeniert seine Fotos mit einem Aufwand, der sonst nur für Hollywood-Filme betrieben wird. Seine Werke, die manchmal an Filme von Alfred Hitchcock, David Lynch oder Steven Spielberg erinnern, erzählen Geschichten aus dem amerikanischen Leben, die dem Betrachter viel Spielraum für Interpretationen lassen.

Crewdson hat das Bild immer schon im Kopf, bevor er dieses dann in mehreren Tagen auf abgesperrten Straßen und mit einer an die 100 Kopf starke Crew – bestehend aus Licht, Kamera und Statisten – perfekt inszeniert und viele cineastische Effekte nutzt. Stimmung oder Wetter erzeugt er künstlich, auch einmal mit einer riesigen Regenmaschine. Seine geheimnisvollen Bilder halten die Balance zwischen familiär und befremdlich, bauen eine Spannung auf, die auch der Betrachter kaum zu lösen vermag. Sie rühren an die großen Sinnfragen des Lebens, muten manchmal beinahe mystisch an und zielen vor allem in die Psyche des Menschen.

Sein Vater, ein Psychologe, hatte seine Praxis im Untergeschoss des eigenen Wohnhauses. Als Kind habe er versucht solche Gespräche zu belauschen, gesteht Crewdson. Dies sei die Metapher für alles was er heute mache, bekannte er weiter in einem Interview. Auf seinen in dunklen Farben gehaltenen ästhetischen Fotografien inszeniert er den Moment dazwischen, in dem alles und nichts möglich ist, als Filmstill eines detailverliebten Kinokenners. Mit ihrer leicht unheimlichen, teils bedrohlichen Atmosphäre deuten die Fotografien einiges an, lassen aber auch vieles im Vagen. Sie erzählen keine normalen Geschichten, vielmehr handelt es sich um melancholische Traumbilder, auf einem schmalen Grat zwischen Normalität und normalem Grauen.

Die zwischen 2003 und 2007 entstandene Fotografien aus der Serie "Beneath the Roses" von Crewdson treten mit den lebensgroßen Figuren von Duane Hanson in einen interessanten Dialog. In den Arbeiten beider Künstler spiegelt sich auf beeindruckende Weise die Schwierigkeit des menschlichen Daseins wider.

Unheimliche Wirklichkeiten
Duane Hanson und Gregory Crewdson
27. November 2010 bis 6. März 2011