Und Vivaldi tanzte Tango

29. September 2010 Rosemarie Schmitt
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Wer kennt sie nicht, die "Vier Jahreszeiten" von Vivaldi! Und wer kennt sie nicht, die "Vier Jahreszeiten" von Piazzolla? Doch, trauen Sie sich die Hand zu heben, schließlich kann ich es ja nicht sehen und auch nicht wissen, ob Sie schummeln. Also gehe ich davon aus, daß die Mehrheit von Ihnen beide Versionen bereits gehört hat. Aber so die wenigsten! So, wie nämlich das "Aniello Desiderio’s Quartetto Furioso" sie spielt.

Vielleicht sollte ich das Ensemble im folgenden Text besser ADQF nennen? Solche Abkürzungen sind doch derzeit sehr beliebt und auch so einfach zu verstehen, oder etwa nicht? Aber nein, keine Sorge werte Leser, solche Verunstaltungen liegen mir nicht und taugen nur zum Scherz! Im Rahmen des diesjährigen Mosel Musikfestivals konzertierte dieses, in der Tat furiose Quartett, im Kloster Machern in Bernkastel-Kues.

Astor Piazzolla und der beinahe 250 Jahre zuvor geborene Antonio Vivaldi zur gleichen Zeit auf einer Bühne, kann das gut gehen? Wer mehr von Piazzolla kennt als den Libertango der weiß, daß sich der Argentinier immer mal wieder gerne der Form der barocken Suite bediente. Und so griff er mit seiner Komposition "Las Cuatro Esaciones Porteñas" sehr direkt auf Vivaldis "Le Quattro Stagioni" zurück. "Las Cuatro Esaciones Porteñas"? "Las Cuatro Esaciones" ist mit ein wenig Logik leicht als "die vier Jahreszeiten" zu übersetzen. Aber was bedeutet Porteñas?

Im Spanischen bedeutet "Puerto" Hafen. Und von diesem Hafen abgeleitet wurde "Porteño". Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bezeichnet man die Einwohner der argentinischen Hafenstadt Buenos Aires als Porteños. Und das kam so:

Um 1880 gab es eine große Flut von europäischen Wanderern nach Argentinien. Sie wanderten aus Europa aus und nach Argentinien ein. Die Mehrheit der Europäer, die sich für Buenos Aires entschieden, waren Spanier und Italiener. Auch darin wird ein Grund vermutet, weshalb sich die Einwohner von Buenos Aires veranlaßt sahen, sich vom Rest ihres Landes abzugrenzen, indem sie sich fortan Porteños nannten. Und so gesehen, liebe Leser, ist es doch eigentlich ein Katzensprung von Vivaldis Italien nach Piazzollas Argentinien.

"Las Cuatro Esaciones Porteñas" sind also "Die vier Jahreszeiten von Buenos Aires". Doch zog es auch ein paar Italiener nach Deutschland statt nach Argentinien. Es war einige Zeit später, und man nannte sie noch Gastarbeiter, doch einige von Ihnen blieben und entschieden sich, jemandes "Lieblingsitaliener" zu werden, weshalb uns die Übersetzung von "Le Quattro Stagioni" nicht wirklich schwer fällt.

Vivaldis "Vier Jahreszeiten" waren einst Teil einer Sammlung mit dem Titel "Das Wagnis von Harmonie und Erfindung" (das weiß ich nicht von Giovanni, sondern habe es gelesen). Und an eben dieses Wagnis von Harmonie und Erfindung erinnert das "Aniello Desiderio’s Quartetto Furioso" mit seiner Interpretation der Jahreszeiten beider Komponisten. Und plötzlich tanzt Vivaldi Tango!

Nicht immer ist es ganz klar, wo Vivaldis Komposition endet und Piazzollas beginnt, so gekonnt arrangierte der Komponist Raffaele Minale das Notenmaterial für die vier italienischen Vollblüter.

Ich sage Ihnen, dieses Quartett geht ab wie Rosemarie Schmitts Katze! Davon können Sie sich gerne selbst überzeugen! Zu meiner großen Freude ist diese Aufnahme bei Inakustik erschienen. Und damit erübrigt sich auch die Frage nach der Aufnahmequalität! Alles bestens, wie gewohnt! "Vivaldi 4 & 4 Piazzolla Seasons" so der Titel der CD (Label Connector-Records).

Ein echter Genuß zu jeder Jahreszeit - im Frühling, im Sommer, im Herbst und im Winter des Lebens!

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt