Und niemand glaubt an mich?! – Eine Anthologie

5. Dezember 2014 admin
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Der Klappentext: "Wie kann das Samenkorn von jemandem verstanden werden, der selbst schon wie eine Blume blüht?" (Agnes Lanz)

"Und niemand glaubt an mich?!", so das Motto der Anthologie zum nunmehr fünften Brüggener Literaturherbst. Aus der Vielzahl der Bewerber aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und anderen europäischen und außereuropäischen Ländern wurden mehr als hundert Autoren ausgewählt, die dem Leser mit ihrer Sichtweise eine Auseinandersetzung mit der Thematik individuellen Selbstvertrauens ermöglichen.

Den Leser erwarten Texte aus den verschiedensten literarischen Genres, die sich mit der Frage der Entwicklung oder auch Zerstörung eigener Identität auf einer individuellen, zwischenmenschlichen und historisch-gesellschaftlichen, aber auch religiösen und philosophischen Ebene auseinandersetzen. Eine Anthologie, die bewusst auf allzu theatralische Selbstmitleidsbeiträge verzichtet, durch die Heterogenität der Beiträge und Autoren (unter anderem sind sehr viele junge AutorInnen dabei, gibt es eine interessante Mischung der Autorenschaft in Bezug auf Regionalität, Schreiberfahrung und Beruf etc.) aber eine vielschichtige Betrachtung der Selbstbewusstseins-Thematik ermöglicht.

Meine Gedanken zu dem Buch: Anthologien haben es nicht leicht, den Weg in die Buchhandlungen und zum Leser zu finden. In diesem Falle ist das besonders schade, denn "Und niemand glaubt an mich?!" ist eine Sammlung von lyrischen Texten und Geschichten auf hohem literarischen Niveau, herausgegeben von Ellen Roemer. Besonders, und zwar besonders erfreulich, ist auch, dass es sich um ein 520 Seiten starkes Lesevergnügen handelt. Wobei nicht jede Geschichte vergnüglich ist, und dennoch zu unterhalten weiß, auf jeden Fall aber zum Nachdenken anregt.

Glaubte man genügend an uns? Glauben wir genügend an unsere Kinder? Was machte das mit uns – was mit unseren Kindern? Welche Möglichkeiten dieser "Ungläubigkeit" zu begegnen, welche Mittel es entgegenzusetzen gibt, davon erzählen die Autorinnen und Autoren mit Humor, Ironie, Wut, Trotz und mit einer unglaublichen Tiefe gepaart mit literarischem Geschick.

Es sind Autoren wie etwa der 25jährige Erik Tenzler, dessen tiefsinnige Lyrik mich erstaunte und begeisterte. Tenzler studierte Germanistik und absolviert derzeit eine Ausbildung zum Schreibpädagogen in Wien. "Wenn ich nur könnte, schlüge ich mit Händen gegen die Kopfenden der Welt ..." Stattdessen schreibt er. Das ist sehr erfreulich!
Was es mit dem Col de Turini auf sich hat, erzählt Bernd Daschek unterhaltsam, indes nicht weniger bedeutungsschwer, in einer Kurzgeschichte. Daschek, der 1963 in Berlin geboren wurde und dort lebt und arbeitet, studierte Geschichte und Philosophie. Neben Kurzgeschichten schreibt er Dramen und Glossen. Ich hoffe auf eine Sammlung eigens mit Texten dieses Schriftstellers, der es außergewöhnlich gut versteht, mit sensiblem und klugem Wortwitz Ernsthaftes zu schildern und Alltägliches zu Besonderem macht.

Diese Anthologie ist mir ein treuer und abwechslungsreicher Begleiter, den ich gerne hin und wieder bitte mich aufzuheitern, mich auf andere Gedanken zu bringen, oder einfach nur, mir eine Geschichte zu erzählen. Ein Buch, das einen Platz auf dem Gabentisch durchaus verdient hat.

Und niemand glaubt an mich?!
Hrsg. Ellen Roemer
Geest-Verlag , 520 Seiten
ISBN-10: 3866854803
ISBN-13: 978-3866854802
15,00 Euro