Übersetzung ist eine Form

Grün ist nicht gleich Grün und Inuit haben bekanntlich unzählige Begriffe für Schnee. Nicht nur in unterschiedlichen Kulturen, auch zwischenmenschlich ist für Verständigung eine Übersetzung von einem Code in einen anderen notwendig. Über die reine Verständigungsintention hinausgehende Möglichkeiten und Spielarten des Übersetzungsprozesses sind Gegenstand der neuen Ausstellung "Übersetzung ist eine Form - Translation is a mode." im Kunstraum Niederoesterreich.

Sowohl auf formaler als auch auf inhaltlicher Ebene widmen sich die beiden ursprünglich aus denLiteratur- und Sprachwissenschaften stammenden KuratorInnen Birgit Rinagl und Franz Thalmair, Mitglieder des in Wien ansässigen Kollektivs CONT3XT.NET, unterschiedlichen Übersetzungsmöglichkeiten von konzeptioneller Medienkunst. Mit dem Schwerpunkt auf Internet-basierender Kunst und dem Medium Text wurden dreizehn Arbeiten ausgewählt und gemeinsam mit den Künstlerinnen und Künstlern für den Ausstellungsraum adaptiert.

Jörg Piringer arbeitet mit einem Website-Prozessor, der aus Textinhalten externer Webseiten visuelle Poesie generiert. Diese Visualisierungen werden durch einen am Netz hängenden Drucker in den Raum transponiert. Die Übersetzung digitaler Daten in Stofflichkeit beschäftigt auch Arend deGruyter-Helfer und Aylor Brown. Nachrichten, und zwar Wünsche, werden in Form digitaler Muster codiert und von Aylor Brown mit Nadel, Stoff und Faden materialisiert. Veronika Schubert verschränkt in ihrer Arbeit die Architektur des Ausstellungsraumes mit ihrem Archiv von Zeitungsüberschriften, indem sie collagenartig mit den Textausschnitten Fotografien der Architekturansichten digital nachbaut.

Die Website von Aleksandra Domanovic zeigt eine Liste von Städtenamen, die sich entsprechend ihrer aktuellen Lufttemperatur ständig neu anordnen. An die Wand projiziert schaffen diese an sich wenig relevanten Daten Raum für die Erfahrung von Zeit. Mittels eines Computerprogramms lässt Michael Kargl Walter Benjamins Text "Die Aufgabe des Übersetzers" in den Binärcode und wieder zurück übersetzen. Eine eingebaute Zufallsvariable generiert dabei Fehler, die im Sinne einer Interpretation auf den Übersetzer selbst verweisen. Annja Krautgasser isoliert Dialoge aus Filmklassikern der 60er Jahre, welche sie als Ausdruck der Essenz menschlicher Beziehungen versteht. Durch die Projektion der Textzeilen wird Kino im Ausstellungsraum präsentierbar.

Einen visuellen Dialog setzen Johanna Tinzl und Stefan Flunger in Gang, indem sie zwei Überwachungskameras einander gegenüber positionieren, die sich, nach einem ersten Impuls, gegenseitig zur unendlichen Bewegung bestimmen. Miriam Lausegger und Eva Beierheimer synthetisieren aus bereits bestehendem Material neue Bedeutungsnetze, indem sie ausgewählte Buchpassagen installativ zueinander in Beziehung setzen. Auf eine Rolle Endlospapier übersetzt Arnold Reinthaler biografische Einheiten wie Schlafen oder Essen in Schrift, codiert die Zeiteinheiten als Striche und macht so individuelle Erinnerung für den Betrachter lesbar. Michail Michailov hingegen übersetzt sich selbst in Form von Schriftzeichen in das Medium Text. Erst beim Durchblättern eines bis auf die einzelnen Buchstaben seines Namens leeren Buches erschließt sich seine Identität.

Gerhard Dirmoser arbeitet bereits seit Jahren an einer Systematisierung des Begriffes "Ausstellung" und seiner diversen Übersetzungsmöglichkeiten, die in Form eines monumentalen Diagramms präsentiert wird. Zwei für die Ausstellung programmatische Diagramme von MTAA veranschaulichen, dass Kunst in der Übersetzung, Netzkunst an der Schnittstelle zwischen Sender und Empfänger passiert. Werkimmanente Übersetzungsprozesse oder Übersetzung des Werkes in den Ausstellungsraum – Übersetzung geht immer mit Bedeutungsveränderung im Sinne einer Interpretation einher, zunächst durch die Arbeit der KuratorInnen und in weiterer Folge durch die BetrachterInnen selbst.

Übersetzung ist eine Form - Translation is a mode
9. April bis 29. Mai 2010