Überraschendes im Park bei den Wiener Festwochen

Das spanische Theaterkollektiv El Conde de Torrefiel befreit seine Arbeiten von den herkömmlichen Kategorien und entwickelt sie an der Schnittstelle von Choreografie, Text und plastischen Bildern. Ist es Theater ohne Schauspieler? Eine Lesung ohne Vorleser? Ein Stummfilm mit Sound? Eine Choreografie ohne Tänzer? Die Regisseurin Tanya Beyeler und der Autor Pablo Gisbert stellen ihre Zeit-Bruchstücke (Fracciones de Tiempo) sehr spannungsreich auf die Bühne, die keine ist. Ultraficción Nr.1. Fiktion? Ultra-Fiktion?

Das Publikum findet sich bei Dämmerung im Kurpark Oberlaa ein. Holzkisten mit Sitzpolstern sind auf der abfallenden Wiese recht idyllisch – es kommt Picknickstimmung auf – verteilt und richten sich zum Mega-Screen, der einer Fußballübertragung würdig wäre. Gelsen lassen nicht lange auf sich warten, eifrig wird gesprüht und eingeschmiert. Auf dem dunklen Riesenbildschirm erscheinen Sätze – in weißer Schrift auf Deutsch, in gelber Englisch. “... weiß dass Publikum, dass alles, was auf der Bühne geschehen wird, gelogen ist“ und “sind unsere offenen Augen wie ein großer Theatervorhang, ...“. Die Zuseherin beginnt automatisch zu lesen, wenn Texte vorgesetzt werden. In diesem Fall nur Text. Und Sound. Der das Gelesene dramatisch verstärkt.

Das Theater passiert im eigenen Kopf: Szenen im Flugzeug kurz vor dem Absturz. Auf gleicher Route unten 80 Menschen im Boot von Tripoli Richtung Italien. Bruchstücke der Zeit. Textsequenzen zum Innehalten. Bis der Rauch in die Kabine dringt, die Bootsinsassen gezwungen werden ans ferne Ufer zu schwimmen. Stille. Nebelschwaden. Weiß leuchtender Screen. Und dann passiert das: Der Schäfer treibt mit einem Border Collie seine Herde in offensichtlicher Choreografie hin und her und mitten durch das Publikum. Verschwindet wieder. Die Bäume beginnen zu tanzen. Es geht weiter mit einer improvisierten Raveparty der hiesigen Studenten im Kiosk des Kurparks. Eine Preisverleihung für einen Film. Der Film wird gezeigt. In Worten. Spannend.

Während alles in keinerlei Verbindung miteinander zu stehen scheint, macht die verstreichende Zeit aus Disparatem etwas Gleichzeitiges. Ein Mosaik fragiler Geschichten. Die Fiktionalisierung der Realität. Die individuelle Vorstellungskraft wird zum Klingen gebracht. Die Wahrnehmung hat sich verändert – am Heimweg.