Traum und Trauma

Zweimal muss zugeschlagen werden, um ein Trauma zu erzeugen. Einmal in der Wirklichkeit und ein erneutes Mal in der Darstellung des Wirklichen – so hat es Anna Freud erklärt. Der Ort, an dem das Trauma seinen Ursprung hat, ist ein Nicht-Ort des Bruchs zwischen Bewusstsein und unbewusster Wahrnehmung. Im Trauma manifestiert sich die Realität als symbolische Wunde des Seins in direkter Intensität. Trauma ist Leerstelle, Lücke im Bewusstsein, die durch Anstrengungen des Gedächtnisses nur bedingt geschlossen werden kann.

Arbeiten in der Ausstellung »Traum und Trauma« wie jene von Olafur Eliasson, Kiki Smith, Nigel Cooke und Christopher Wool markieren dieses Negativ. Sie zeugen von der primären Nicht-Darstellbarkeit des traumatischen Erlebnisses. Sigmund Freud bestimmte das Trauma als »ein Erlebnis, welches dem Seelenleben innerhalb kurzer Zeit einen so starken Reizzuwachs bringt, dass die Erledigung oder Aufarbeitung desselben in normal-gewohnter Weise missglückt«.

So verdrängt das Subjekt das traumatische und ihm nicht frei zugängliche Erlebnis; in Träumen und Albträumen dringt es immer wieder ins Bewusstsein ein. Der Schmerz kann nur dosiert symbolisch und bildhaft zugänglich werden und entäußert sich repititierend in surrealistischen, traumähnlichen und absurd anmutenden Bildern. Eine »Ästhetik des Traumas« veranschaulicht Formen des Schmerzes, der Angst und der Verletzung (Cindy Sherman, William Kentridge), die sich häufig dem Körper einschreiben (Kiki Smith), sie zeigt die Wunde des Seins und die Verwundung des Existenziellen, visualisiert innere Befindlichkeiten und ver-rückte Wahrnehmungen der Realität (Robert Gober). Sie entdeckt eine Kunst, die Verdrängtes und Verworfenes visualisiert (Cindy Sherman, Gregory Crewdson, Urs Fischer, Tim Noble/Sue Webster) und damit auch schmerzhaft besetzte Wünsche, Begierden und Träume freilegt.

Zeichnungen von einer jungen Künstlergeneration (z. B. Tauba Auerbach, Paul Chan, Marcel Dzama, Cameron Jamie, Dorota Jurczak, Aurel Schmidt, Ralf Ziervogel) vermitteln Impressionen des Unbewussten und veranschaulichen in häufig abstrakten, manchmal arabesken, ungeordneten, netzartigen und cerebralen Strukturen traumähnlich verworrene Gespinste. Es scheint als würden sie wie die Surrealisten die Vorrangigkeit des Bewusstseins zugunsten der Vorrangigkeit des Unbewussten aufheben.

Die Ausstellung Traum und Trauma gliedert sich in 2 Teile: In der Halle 2 der Kunsthalle Wien wird der Schwerpunkt der Ausstellung auf raumgreifende Arbeiten, Zeichnungen und Fotografie (Gregory Crewdson, Anna Gaskell, Cindy Sherman) gelegt. Künstlerische Schwerpunkte werden mit Paul Chan, Urs Fischer, Robert Gober und Kiki Smith gesetzt.

In den abgedunkelten Räumen der Hofstallung des MUMOK ist eine Inszenierung jener Werke, die vor allem die dunkle Seite der menschlichen Existenz visualisieren, zu sehen. Es ist ein metaphorischer Gedächtnisraum, in dem zwei installative Werke, »Amazing Grace« von Nari Ward, eine Akkumulation von 280 alten Kinderwagen und platt gedrückten Feuerwehrschläuchen, sowie »Your strange certainty still kept«, ein beleuchteter Wasservorhang von Olafur Eliasson, das Zentrum bilden.

Dakis Joannou zählt zu den weltweit bedeutendsten Sammlern zeitgenössischer Kunst. Seit dreißig Jahren verlässt sich der griechische Geschäftsmann auf sein unbeirrbares Gespür für die Künstler von Morgen. Dakis Joannou ist der Gründer der Deste-Foundation für zeitgenössische Kunst in Athen; die wohl größte Ausstellung seiner Sammlung der letzten Jahre mit dem Titel »Monument to Now« wurde hier gezeigt.

2005 präsentierte Dakis Joannou einen Teil seiner Sammlung mit dem Fokus Translation im Palais du Tokyo in Paris; die erste Präsentation seiner Werke außerhalb Griechenlands. Die Ausstellung in der Kunsthalle Wien und im MUMOK steht wieder unter einem inhaltlichen Schwerpunkt: Traum und Trauma.


Traum und Trauma
Werke aus der Sammlung Dakis Joannou, Athen
29. Juni bis 4. Oktober 2007
Kunsthalle Wien, Halle 2, MUMOK, Hofstallungen