Transcending Cultures

Mit "Transcending Cultures" gibt das Essl Museum einen aktuellen, eindrucksvollen Einblick in die jungen Kunstszenen Zentral- und Südosteuropas. Zu sehen sind neue Werke von zwanzig Künstlerinnen und Künstlern aus Bulgarien, Kroatien, Rumänien, Tschechien, Ungarn, der Slowakei, Slowenien und der Türkei. Im Sinne des Titels "Transcending Cultures" bestimmen grenzüberschreitende Dialoge die Präsentation und eröffnen somit neue Diskursmöglichkeiten.

Auffallend viele der KünstlerInnen arbeiten medienübergreifend, wie beispielsweise Daniel Nicolae Djamo, Marcel Mališ oder Dia Zékány. Insbesondere für den bulgarischen Künstler Zoran Georgiev, der sich aktuell sowohl im Bereich Video, Installation als auch in der Raumskulptur bewegt, ist das Konzept für die Wahl seines Mediums bestimmend. Insgesamt ist jedoch der Bereich Video und neue Medien bei den Werken der jungen Künstler dominierend, eine Tendenz, die schon in der Vergangeheit zu beobachten war. Das klassische und marktdominierende Medium Malerei spielt hingegen bei den von der Jury ausgewählten Künstlern kaum eine Rolle.

Ausnahmen bestätigen jedoch die Regel und so haben sich Gábor Kristóf und Alin Bozbiciu ganz dem Medium der Malerei verschrieben. Mit einer ähnlichen Stringenz bei der Wahl eines Mediums arbeiten auch die beiden Fotografen Kund Kopacz und Bashir Borlakov. Beide überlassen in ihren Fotos nichts dem Zufall, dennoch könnten sie in ihrer Bildsprachen nicht unterschiedlicher sein. Während Borlakov in seinen surrealen, durchkomponierten Bildwelten Figuren der Mexikanischen Geschichte inszeniert, haben Kopacz‘ Fotografien einen fast dokumentarischen Charakter. Symbolhafte, reduzierte Kompositionen zeigen Lebenssituationen von Menschen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Herkunft.

Besonders auffallend ist die poetische, höchst ästhetische Bildsprache, von der einige (Video-)Arbeiten der Ausstellung bestimmt sind. Dieser Aspekt findet sich in so unterschiedlichen Werken und Positionen wie beispielsweise bei Jelena Lovrec, Alin Bozbiciu, Leda Vaneva, Mario Leko, Zuzana Žabková oder Andra Nedelcu. Die Videokünstler Andra Nedelcu, Mario Leko und Zuzana Žabková beziehen sich in ihren Werken auf Vorlagen aus der Literatur oder arbeiten mit Phänomenen der Musik. Während das Gedicht "Déjeuner du matin" von Jaques Prévert den Ausgangspunkt für Nedelcus Video "Breakfast" bildet, ist Mario Leko in seinen traumhaft, poetischen Videos von Gedichten Dylan Thomas‘ inspiriert.

Zuzana Žabková hingegen setzt sich in ihren Videos (-installationen) intensiv mit Musik und Tanz auseinander. Diese Verbindung von bildender Kunst und Musik ist auch für die Skulpturengruppe "Instrumans" von Dan Adlešič bestimmend, wenn auch medial gänzlich anders umgesetzt. Auch in der Videoarbeit "The Unspectacular" schafft der türkische Künstler Volkan Kızıltunc "Bilder" von geradezu poetischem Charakter. Mit unbeweglicher Kamera filmt er jeweils für mehrere Sekunden einzelnen Personen in einem Viertel Istanbuls, das abgerissen werden soll. Die Menschen stehen einfach nur da und durch die Zeit, die der Künstler dem Betrachter gibt, entsteht eine intensive Nähe, die durch eine Dokumentarfotografie kaum so stark sein könnte.

Kızıltuncs Video "Miss you", in dem er Ausschnitte alter 8mm Filme neu zusammenfügt, zeigt eine sensible Auseinandersetzung mit Verlust und Bewahren von Erinnerung. Mit Erinnerung, aber im Kontext persönlicher Geschichte beschäftigt sich auch Viktor Takáč in seiner Arbeit "New Castle". Ausgangspunkt bildet das alte Haus seiner dementen Großmutter, das lange nicht mehr existiert. Seine Videoinstallation erzählt vom verlorenen Zuhause, sowohl dem realen Ort als auch dem Verlust der Erinnerung. Diese tiefgreifende Auseinandersetzung mit der ganz individuellen (Familien-) Geschichte scheint auch für andere Künstler der Ausstellung wesentlich.

Lebensgeschichten, persönlich besetzte Objekte und Atmosphärisches bilden eine thematische Grundlage für die künstlerische Arbeit, wie beispielsweise bei "Buni" und "The notebook" von Daniel Djamo oder den mit Sand befüllten Glasobjekten ("Arenas") von Jelena Lovrec. Im Sand der Glaskugeln hat die Künstlerin Objekte vergraben, die für sie eine ganz persönliche Geschichte und Bedeutung haben und Symbole innerer Kämpfe und Gefühle sind. Indem der Betrachter die Glaskugeln schüttelt, kann er diese einem Mantra gleich immer wieder an die Oberfläche bringen oder wieder im Sand vergraben.

Durch die intensive Beschäftigung mit der eigenen Geschichte greift Lovrec auch Fragen der eigenen Identität auf. So insbesondere auch in ihrer aus 99 Kacheln bestehenden Arbeit "All together". Diese Auseinandersetzug mit subjektiver, aber auch gesellschaftlicher Identität ist in verschiedenen Werken der Ausstellung erfahrbar. In der Videoinstallation "Selves" von Leda Vaneva stellt sie die Frage, was medial durch die Abbildung einer Person oder aber ihres liebsten Objektes über ihre Identität ausgesagt werden kann. Auch Kund Kopacz reflektiert in seinen bereits erwähnten Fotografien über Identität und Perspektiven seiner eigenen Generation.

Mit Fragen der eigenen Identität konfrontiert der slowakische Künstler Marcel Mališ den Betrachter in seinem Werk "La rivoluzione siamo noi", behandelt darin aber vor allem Aspekte der gesellschaftspolitischen Geschichte seines eigenen Landes. Auf zwei rotierenden Billboard Flächen (die dritte Fläche zeigt einen Spiegel) sehen wir zwei Fotos seiner Schulklasse, die zwischen 1989 und 1990 aufgenommen wurden und anhand derer, der vermeintliche Wandel dieser Jahre nachvollzogen werden kann. Mališ stellt in seiner Arbeit jedoch die These auf, dass die Revolution nur an der Oberfläche stattgefunden hat. Auch in der Installation "In between denied citizen" von Gregor Maver wird eine intensive Auseinandersetzung mit Identität und der Geschichte seines Landes erfahrbar.

Die ungarische Künstlerin Dia Zékány beschäftigt sich in ihren Arbeiten mit der ganz aktuellen politischen Geschichte und den sozialen Umständen im eigenen Land. In der 33-teiligen Bildserie "Passing is Forbidden!" übermalt die Künstlerin in den Niederlanden gefundene Ansichtskarten, Magazin-Cover oder Einladungskarten, wobei alle Eingriffe ungarische Bezüge haben. Wie diese Arbeit ist auch das Objekt "Untitled (Munich)" von İrem Tok während eines Auslandsaufenthaltes entstanden, der als Möglichkeit zu einem grenzüberschreitenden Austausches für die Arbeit junger Künstler eine wichtige Funktion einnimmt. In den "ausgehöhlten" Geschichtsbüchern lässt sie eine Art Mikrokosmos entstehen und reflektiert darin auf spielerische Weise ihre Erfahrungen in München.

Die Verbindung von Kunst und Leben ist zentraler Aspekt der Arbeiten des kroatischen Preisträgers Vanja Babić und ist auch bei der tschechischen Künstlerin Karíma Al-Mukhtarová wiederzufinden. Während Babić Installationen mehr wie Versuchanordnungen erscheinen, tragen Al-Mukhtarovás Werke surreale, beinahe märchenhafte Züge und bewegen sich an der Schwelle zwischen Installation und Performance. So ist beispielsweise der ausgestellte Heuhaufen nur Artekfakt der ursprünglichen Aktion der Künstlerin.

Das kuratorische Konzept der Ausstellung eines offenen, länderübergreifenden Diskurses gibt den jungen Künstlern die Möglichkeit eines internationalen Erfahrungsaustausches, durch den auch die eigene Arbeit im Kontext des Anderen neu bewertet bzw. kritisch reflektiert werden kann, gleichzeitig aber auch das Besondere und Einzigartige erst zum Vorschein bringt.

Transcending Cultures
Essl Art Award CEE 2013
6. Dezember 2013 bis 2. März 2014