Tora! Tora! Äh ... toro!

17. Januar 2011 Kurt Bracharz
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Seit einem Jahrzehnt meldet die internationale Presse immer wieder einmal einen neuen Preisrekord für Thunfisch, immer von demselben Ort, dem Tokioter Fischmarkt Tsukiji, und immer von derselben Art, dem Großen oder Roten Thunfisch, auch Blauflossenthun genannt, wissenschaftlich Thunnus thynnus. Der aktuelle Rekord von Anfang Januar 2011 liegt bei 32,5 Millionen Yen (279.000 Euro) für ein vor der Küste von Hokkaido gefangenes, 342 Kilogramm schweres Exemplar.

Genau zehn Jahre zuvor, also im Januar 2001, hatte ein 202 Kilogramm schwerer Thun einen Preis von 173.600 US-Dollar erzielt. Der Preis ist also nicht wirklich explodiert, obwohl der Rote Thunfisch seiner vollständigen Ausrottung heute schon sehr viel näher gekommen ist als vor zehn Jahren. Sie dürfte unmittelbar bevorstehen, woran die Senkung der Fangmenge um vier Prozent (!) durch die Konferenz der Internationalen Kommission für den Schutz des Atlantischen Thunfischs (ICCAT) nichts ändern wird. Das scheint die Japaner nicht wirklich zu interessieren – denn sie sind es, deren Fangflotten den von ihnen maguro genannten Fisch so dezimiert haben und das offenbar bis zum bitteren Ende praktizieren wollen.

Der Rote Thunfisch ist ein Warmblüter, der seine Körpertemperatur von etwas über 30° C nur aufrecht erhalten kann, indem er permanent zügig schwimmt, wozu er sehr kräftige, gut durchblutete Muskeln braucht. Er kann bis zu drei Meter lang und 200 bis 300 Kilogramm schwer werden (das größte bisher gefangene Exemplar wog sogar 679 Kilogramm), aber die Gourmets interessieren sich nur für Teilstücke. Toro, der fette Bauchlappen des maguro, gilt als das ultimative Fischfleisch für Nigiri-Sushi. Der Rote Thunfisch ist fünfmal fetter als der Gelbflossenthunfisch, und toro ist zehnmal fetter als das Fleisch des Rückenmuskels des Tieres. Das Bauchfleisch ist so weich, dass es auf der Zunge zergeht, und Kenner halten sich an die Sushi-Regel "je fetter das Fleisch, desto weniger Sojasoße". Auch für tataki, das außen scharf angebratene und innen noch rohe Filet, nehmen sie am liebsten toro.

In den im Supermarkt gestapelten Konservendosen und -gläsern findet man keinen Roten Thunfisch, sondern Weißen Thun (Thunnus alalunga) und Gelbflossen-Thunfisch (Thunnus albacares), auch als Yellowfin bezeichnet. Die beiden Letzteren werden in Kochbüchern gelegentlich verwechselt bzw. für dieselbe Art gehalten, wozu vielleicht beiträgt, dass der Weiße Thun auch Albacore (engl. albacore, span. albacora) heißt und der Gelbflossen-Thunfisch wissenschaftlich T. albacares. Die beiden Arten sehen durchaus verschieden aus, wobei der Weiße Thun einem Roten mit auffällig verlängerten Brustflossen gleicht, aber nur einen Meter lang und etwa 30 Kilogramm schwer wird, während der Yellowfin es auf 2 Meter und 200 Kilogramm bringen kann. Das Fleisch des Weißen Thuns schmeckt besser als das des Yellowfins. Und aus der Dose schmeckt es sowieso ganz anders als frisch – aber nicht unbedingt schlechter, vorausgesetzt, dass es in gutes Olivenöl statt in "Pflanzenöl" (der Euphemismus für Sojaöl, Ölmischungen etc.) eingelegt worden ist.

Die meisten Dosen oder Gläser mit Rotem Thun sind mittlerweile aus den Regalen genommen worden, aber vielleicht findet man noch da oder dort ein Glas "Tonno Rosso del Mediterraneo" in Olivenöl, z. B. von dem italienischen Lieferanten Sapori di Mare. Im Reformhaus gibt es mit der Schleppangel gefangenen Weißen Thunfisch in kaltgepresstem Sonnenblumenöl; im Supermarkt vorwiegend thailändischen Yellowfin in Sonnenblumenöl. Den Roten sollte man pur essen, die anderen als Salat. Alle sind für Thunfischspaghetti geeignet, bei denen man den Fisch mit Knoblauch und Petersilie in Olivenöl erwärmt und die heißen Spaghetti samt Thun mit einer Eier-Parmesan-Mischung übergießt.