Tony Oursler - Lock 2,4,6

Das über mehrere Jahre hinweg in Zusammenarbeit mit dem KUB entwickelte Werk "Lock 2,4,6" wurde für den von Peter Zumthor geplanten provokativen Bau und seine Ausstellungsräume entwickelt und von diesen angeregt. Die Installation zielt darauf ab, eine Kette von Ereignissen, von festgehaltenen Augenblicken zu erfassen, die verschiedene Systeme epistemologischer, gesellschaftlicher, anatomischer und sprachlicher Art verzahnen. Monologe, Rituale und Inszenierungen werden auf Video aufgezeichnet und in dreidimensionalen Projektionen wiedergegeben.

Diese Verbindung von bewegtem Bild und plastischen Medien findet in geloopten Handlungen ihren Ausdruck, die sich durch die Ausstellungsräume ziehen. Insgesamt vermittelt sich ein Eindruck des Versinkens, das Gefühl, in einem unheimlichen System gefangen zu sein, das in einem nie endenden Kampf um ein nicht herstellbares Gleichgewicht gegenüber der Verwirrung von Input und Output, von Antrieben, Zwängen und Wesensinhalten, nach Selbstregulation strebt – das Gefühl eines zum Scheitern bestimmten Unterfangens. Die Betrachter werden Teil des Werks und des analytischen Prozesses, indem sie sich von einem Element zum anderen bewegen und den Fluss von Ursache und Wirkung über die verschiedenen Ebenen hinweg nachvollziehen.

Die Installation beginnt mit einem einfachen Problem, das uns der Künstler aufgibt: Haben wir daran gedacht, das Licht auszuschalten? Die meisten von uns verdrängen diesen komischen nagenden Gedanken einfach, auch wenn er uns eine neue Perspektive erschließen könnte, die uns einen Zugang zur Besessenheit des Geistes eröffnet. Der Zwang, umzukehren und nachzusehen, ob der Raum auch dunkel ist, erscheint den meisten normal, wird aber unterdrückt; nur eine von fünfzig Personen kann den Raum nicht verlassen und muss das Licht immer wieder an- und ausmachen. Die Geste des fließenden Übergangs zwischen zwei Zuständen, wie sie hier im Video-Mikrokosmos eines schlichten Schalters sichtbar wird, mit dem das Licht an- und ausgeknipst wird, verweist auf einen persönlichen Kampf. Der Künstler geht davon aus, dass eine eingehende Auseinandersetzung mit langweiligen Einzelheiten des Alltags einen Einblick in das allgemeine Dilemma der menschlichen Existenz zu geben vermag.

Eine riesige implodierende Glühbirne ist eines der vielen Verbindungselemente der fantastischen Maschine, die alle Ausstellungsräume des KUB einnimmt. Drei verschiedene, sich aus ausschließlich Frauen, Drag Queens bzw. Kindern zusammensetzende Videochöre bringen Kompositionen des Künstlers zur Aufführung. Das projizierte Highdefinition-Videomaterial wird mit Druckgrafiken, Bildschirmen spezieller Form und gefundenen Gegenständen kombiniert und bringt kettenreaktionsartige Collagen mit belebten Körperteilen hervor. Lippen, Augen, Finger und Füße werden vergrößert und interagieren mit häuslichen Elementen wie Fernsteuerungen, Reinigungsflüssigkeiten, Zigaretten und Lottoscheinen. Die Räume des KUB werden einerseits durch einen Strom projizierten Rauches verbunden, der von unten in die oberen Stockwerke treibt; andererseits rinnt ununterbrochen eine unbestimmte Flüssigkeit aus einer Flasche vom obersten Stockwerk durch das Kunsthaus nach unten. Das Zusammenspiel zwischen Sprache, Musik, Aufführung und Objekten mittels Video lässt ein großes unmögliches System entstehen.

"Lock 2,4,6" besteht aus originalen, für diese Installation geschaffenen Texten und Produktionen des Künstlers. Zu den Darstellern gehören Brandon Olson und Tabboo!, Susana Gaudêncio und Tony Conrad. Gemeinsam mit Dan Lloyd, Brownell Professor für Philosophie am Trinity College in Hartford, Connecticut, hat Oursler auch originale Soundtracks produziert, die mithilfe von MRT-Daten generiert wurden.

Tony Oursler ist für seine bannenden Medieninstallationen bekannt, die den Blick oft auf die Tiefen der Seele lenken. Häufig bestehen seine jüngsten Arbeiten aus skulpturalen, raumgreifenden Videoelementen, welche den Betrachter zu einem Darsteller machen. Oursler ist ein Pionier der Videokunst und hat seit den späten Siebzigerjahren Bänder, Installationen und Multimediawerke geschaffen. Nach der Realisierung einer spektakulären Video-Sound-Installation für das KUB im Sommer 2001, die auf die Glasfassade des Gebäudes projiziert wurde, hat er in den letzten Jahren weiter an Werken für den öffentlichen Raum gearbeitet. Für seine erste große Einzelausstellung in Österreich entwickelt er neue Arbeiten für das gesamte Haus. "Lock 2,4,6" ist der Höhepunkt des einem gemeinsamen Thema gewidmeten Quartetts von Installationen, die in der Galerie Bernier/Eliades Gallery in Athen (2007), der Lisson Gallery in London (2008) und der Metro Pictures Gallery in New York (2009) gezeigt worden sind. Die Ausstellung im Kunsthaus Bregenz verspricht einen neuen, aufregenden Einblick in das beunruhigende Werk des Künstlers.

Begleitend zur laufenden Ausstellung "Lock 2,4,6" im Kunsthaus Bregenz hat Tony Oursler sechs Standbilder aus seinen aktuellen Werkzyklen für die KUB-Billboards ausgewählt. Jedes der sechs Billboards misst 332 x 332 cm und trägt somit auf einer Gesamtfläche von 66 Quadratmetern die Botschaft des Künstlers in den Außenraum. Mit den stark farbigen Nahaufnahmen von Menschen, die alltägliche Konsumartikel wie Fernbedienungen, Rubbellose oder Flüssigseife benutzen, zeichnet Oursler ein Bild der gegenwärtigen Konsum- und Mediengesellschaft.

Das Katalogbuch, seit 1996 die erste umfassende Veröffentlichung zu Oursler, zeigt in großformatigen Abbildungen die neuen, für das Kunsthaus Bregenz entstandenen Werke. In seinem kenntnisreichen Essay verbindet Friedemann Malsch, Kunstmuseum Liechtenstein, das frühe Schaffen Ourslers mit den aktuellen Arbeiten. Tony Oursler und John C. Welchman vertiefen in ihrem in New York geführten Gespräch Ourslers neue Impulse, die zum Beispiel in der Einbeziehung der Malerei zum Ausdruck kommen. Gunter Gebauer, Freie Universität Berlin, untersucht die Ourslers Werk bestimmende Ambivalenz zwischen Faszination und Kritik an der Bildschirm- und Medienwelt. Eine CD ergänzt die zahlreichen Abbildungen. Die Gestaltung des Künstler-Werkbuchs erfolgt in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler.

Tony Oursler: "Lock 2,4,6". Deutsch/englisch, Hg. Kunsthaus Bregenz. Gestaltung: Mark Diaper, Eggers + Diaper, Potsdam. Essays von Friedemann Malsch und Gunter Gebauer, Interview von John C. Welchman, 168 Seiten, 26 x 23,25 cm, CD. Erscheinungstermin: November 2009, Preis: EUR 44.-

Tony Oursler - Lock 2,4,6
24. Oktober 2009 bis 17. Januar 2010
Eröffnung: Fr 23. Oktober 09, 20 Uhr