Systeme & Subjekte

Nach der ersten Präsentation einer Auswahl von Werken aus der neu erworbenen Sammlung Generali Foundation werden in der nun folgenden Neuaufstellung die verschiedenen Sammlungsbestände des Museums zueinander in Beziehung gesetzt. Direktorin Sabine Breitwieser und Kuratorin für Moderne Beatrice von Bormann haben sich auf eine Auseinandersetzung über Systeme & Subjekte eingelassen, die vom frühen zwanzigsten Jahrhundert bis in die Gegenwart reicht. In ihrer Werkauswahl präsentieren die beiden Kuratorinnen einen thematisch ausgerichteten Dialog der verschiedenen Bestände – Generali Foundation, Druckgrafik, Sammlung MAP sowie jüngste Neuerwerbungen.

Mit einer Auswahl der druckgrafischen Bestände wird den Ursprüngen des Museums nachgegangen, das 1983 aufgrund einer Schenkung des Kunsthändlers Friedrich Welz gegründet wurde. Von dort aus ist es zu den Neuerwerbungen der Sammlung Generali Foundation sowie zu kürzlich erfolgten Schenkungen von Werken von Lynn Hershman Leeson und Andreas Siekmann nicht nur aus zeitlicher Sicht ein großer Sprung. Den Werken der klassischen Moderne, in denen das Menschenbild im Zentrum steht, sind konzeptuelle Arbeitsweisen von Künstlerinnen und Künstlern gegenübergestellt. In den großteils installativen Werken – von den 1960er-Jahren bis zur Gegenwart – bilden physikalische, ökonomische und soziale Systeme eine Klammer für die Auseinandersetzung mit dem Subjekt.

Den Auftakt der Ausstellung bildet Hans Haackes Zirkulation (1969), eine raumgreifende Installation, die aus einem System von Schläuchen besteht, durch die Wasser gepumpt wird. Bevor Haacke begann, sich in seinen Arbeiten ökonomischen und politischen Systemen zu widmen – womit er immer wieder für Diskussionsstoff sorgt –, experimentierte er mit realzeitlichen Systemen, die von geschlossenen physikalischen Systemen mit verschiedenen Aggregatzuständen von Wasser (sein bekannter Kondensationswürfel war in der letzten Ausstellung zu sehen) bis zu biologischen Systemen reichen. Die ökonomischen Netzwerke des Kunsthandels der in den 1960er-Jahren oftmals als "dematerialisiert" erklärten Conceptual Art thematisierte Robert Barry in seinem bekannten "Invitation Piece" (1972–1973), in dem er als Ausstellungsprojekt jeweils in eine der anderen Galerien aus dem Verbund der einschlägig orientierten Kunsthändler einlud und abschließend den Reigen von Einladungskarten in einem Kreis installiert zeigte.

Maria Eichhorn ist in mehreren Projekten den Systemen der Finanzwelt nachgegangen; für die Kunsthalle Bern hat sie anstatt der beliebten Künstlereditionen Anteilscheine zum Verkauf ausgegeben. Als künstlerisches System zur Markierung der realen Umwelt hat der polnische Künstler Edward Krasiński 1968 begonnen, blaues Scotch-Tape in der Höhe von 130 Zentimetern auf Mitgliedern seiner Familie, auf Gebäuden und sogar auf seinen eigenen Kunstwerken anzubringen – sein späteres Markenzeichen. Heimo Zobernigs fünfteilige Installation "Ohne Titel" (1991) ist für seine Ausstellung in den ersten Räumen der Generali Foundation am Wiener Bauernmarkt entstanden. In ihrer skulpturalen Artikulation erinnert diese Arbeit an Stehtische und wirft damit Fragen nach der Funktionalität versus Autonomie von Kunst, aber auch nach propagierten Systemen zur sozialen Interaktion auf. In seiner Film- und Fotoinstallation "Gente di Milano" (1970) dokumentiert der argentinische Künstler David Lamelas Passanten vor den berühmten Einkaufsarkaden in Mailand von einem festen Standort aus. In der Ausstellung werden seine Stadtbewohner mit George Grosz’ grotesk dargestellten Bürgern in "Ecce Homo" (1923) konfrontiert.

Max Beckmanns Grafikzyklus "Gesichter" (1918) zeugt von der privaten Erlebniswelt des Künstlers, aber auch von der Notwendigkeit, nach dem Ersten Weltkrieg mit dem Verkauf von Grafikeditionen Geld zu verdienen. Die Thematisierung der Sphäre des Privaten in der Matrix des Ökonomischen ist auch bei zwei Ikonen der feministischen Kunst zu finden: in Mary Kellys Film "Antepartum" (1973) und in ihrer Installation "Post-Partum Document" (1974), in denen sie in damals provozierender Art und Weise den Körper anhand von persönlichen und psychologischen Themen in die von Männern (und deren Themen) dominierte Konzeptkunst einbrachte. Wie politisch das Persönliche sein kann, belegen die Schlagzeilen, die Kellys Kinderwindeln überlappt mit Aufzeichnungen zur Nahrungszugabe während der Zeit des Abstillens bei ihrer ersten Ausstellung in London provozierten: "Ist das Kunst?" war damals zu lesen.

Die Ausstellung führt weiter in die (vermeintliche) Privatsphäre, indem sie etwa Franz Wests pornografische Träumereien "Dreamy" (1997), übermalte Zeitschriftenseiten im Verbund mit einer seiner Liegeskulpturen, erstmalig ausgestellt im Kunsthistorischen Museum, zeigt. Max Klingers Grafikreihe "Ein Handschuh" (1880–1881) steht in Dialog mit Bruno Gironcolis ebenso fetischistischer Installation "Schuhe" (1970–1971) mit Alugüssen von Versatzstücken aus seiner familiären Sphäre. In Anna Oppermanns "Spiegelensemble" (1968–1989), einer immersiven Installation sondergleichen, vermischen sich die subjektive Wirklichkeit und deren poetische Verwandlung über den Ausschnitt des Spiegels – eine transformierte Wahrnehmung der Wirklichkeit, die wiederum auf einer Methodik basiert, welche die Künstlerin für ihre Ensembles entwickelt hat.

Auch Július Koller, als Künstler in Bratislava in einem sozialistischen System tätig, befragt in seiner Serie "Anti-Happening" (1963–1971) die Wirklichkeit, indem er alltägliche Handlungen und Gegenstände zu Kunst erklärt; in den Selbstdarstellungen "U.F.O.-naut J.K." (1970–2005) beweist er seinen beinahe slapstickartigen Humor. Bekannt ist der trockene Humor, aber auch die Schärfe, mit denen Martha Rosler aufzeigt, wie benachteiligte Menschengruppen durch die Zwänge hegemonialer wirtschaftlicher Systeme ausgebeutet werden und wie beispielsweise Essen als Marker für die soziale Klasse fungiert. In dieser Ausstellung ist Rosler unter anderem mit ihren "Postkartenromanen" vertreten, die Karte für Karte als Mail-Art von ihr versendet wurden.

In der Ausstellung sind einige Werke als raumfüllende Installationen zu sehen: Zwei Installationen des in Los Angeles lebenden Künstlers Morgan Fisher, die während der Laufzeit der Ausstellung hintereinander im Zyklus von je drei Monaten gezeigt werden. In der Audio-und Fotoinstallation "Aerospace Folktales" (1973) thematisiert Allan Sekula, wie sich der Verlust der Arbeit seines Vaters in der Luftfahrtindustrie auf die gesamte Familie und das Leben zu Hause auswirkte. Im Video "The She Zone" (2004) von Anette Baldauf und Dorit Margreiter, das ähnlich wie ein Reisebericht auf einer Diashow basiert, werden Themen wie Geschlecht und Körper im Rahmen der Globalisierung innerhalb des geografischen und sozialen Raums einer Shoppingmall in Abu Dhabi untersucht.

"Gespensterökonomie" (2001) von Andreas Siekmann – eine Installation, die dem Museum der Moderne Salzburg dieses Jahr von einer amerikanischen Sammlerin gestiftet wurde und die nun erstmals hier zu sehen sein wird – übt in spielerischer Form Kritik am neoliberalen Wirtschaftssystem. Im selben Raum wird die Grafikreihe "Mein Vorurteil gegen diese Zeit" (1927–1931) von Karl Rössing präsentiert, in der der Künstler die Missstände seiner Zeit karikiert. Diese gesellschaftskritische Tendenz setzt sich fort in einer Schenkung der Künstlerin Lynn Hershman Leeson. In ihrem Film "!Women Art Revolution" (2011) zeigt sie, wie die feministische Kunstbewegung die Kunst und Kultur unserer Zeit verwandelt hat. Nach zahlreichen Präsentationen auf der ganzen Welt erfährt dieser viel diskutierte Film endlich eine Premiere in Österreich. Der kürzlich überraschend verstorbene Künstler Harun Farocki ist mit seiner elfteiligen Videoinstallation "Arbeiter verlassen die Fabrik in elf Dekaden" (1995/2006) in der Ausstellung vertreten und schließt die Werkauswahl mit einer wichtigen Arbeit, die das Thema Systeme & Subjekte auch über die Filmindustrie spiegelt.


Systeme & Subjekte
Werke aus den Sammlungen Generali Foundation,
MAP und Museum der Moderne Salzburg
25. Oktober 2014 bis 3. Mai 2015